Gastbeitrag - Kenia-Tagebuch von Gerhard Trabert: Tag 5, Die...

Heidi Jelic bei der Behandlung der Straßenkinder in Kisumu. Foto: Trabert
© Trabert

Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert ist vom 21. September bis 2. Oktober in Kisumu, der drittgrößten Stadt Kenias, unterwegs, um sich dort um die Straßenkinder zu kümmern. Hier...

Anzeige
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.
Unterwegs mit der Mobile Clinic in den Straßen von Kisumu.

Ein beeindruckender, aber auch trauriger Tag geht zu Ende. Am heutigen Vormittag sind wir mit der Mobil Clinic ins Zentrum von Kisumu gefahren. Hierbei handelt es sich um einen Toyota-Bus, der zu einer kleinen fahrbaren medizinischen Ambulanz, einem mobilen Sprechzimmer, umgebaut wurde. Wir begleiten Davies und sein Team, bestehend aus drei Sozialarbeiterinnen, einer Psychiatrie-Krankenschwester, einem Medical-Health-Worker, einem Fahrer und weiteren Hilfskräfte.

Schnell versammeln sich ungefähr 50 Straßenkinder um die Mobil Clinic. Die jüngsten sind etwa acht Jahre alt, die ältesten um die 20 Jahre. Viele haben total verdreckte Kleidung und konsumieren eine Art Klebestoff, der die billigste Droge in Kenia darstellt. Dieser euphorisiert die Kinder, reduziert das Hungergefühl und versetzt die Kids in einen Dämmerzustand. Sie vergessen damit die Realität ihres harten und traurigen Lebens. Der Konsum dieser Droge bedeutet aber auch, dass die Leber und besonders das Gehirn stark geschädigt werden. Nach fünf bis zehn Jahren sind viele der Straßenkinder dement.

Anzeige

Die Mobile Clinic beginnt mit der Sprechstunde, die Kinder stehen in einer langen Schlange vor dem Auto. Es ist so eng darin, dass nur der Medical-Health-Worker darin arbeiten kann. Heidi und ich entschließen uns, auf dem Gehweg direkt vor einem Hindutempel eine Wundsprechstunde anzubieten. Schnell stehen und sitzen dort 15 bis 20 Kinder. Wir haben Verbandsmaterial dabei und beginnen sofort mit der Arbeit. Eine Sozialarbeiterin dolmetscht für uns, denn viele der Straßenkinder können kein Englisch, sie sprechen oft Kisuaheli oder einen anderen kenianischen Dialekt.

Stark infizierte Wunden, keine Möglichkeit zum Waschen

Viele Kinder haben stark infizierte Wunden, sie haben oft keine Schuhe, leben ständig im Freien und haben keine Möglichkeit, sich zu waschen. Da ist Daniel in einem nostalgisch wirkenden alten Rollstuhl. Er war lange Zeit als Straßenjunge in Nairobi, stürzte dort und verletzte sich am rechten Bein, die Wunde infizierte sich, so dass die Ärzte entschieden, das Bein zu amputieren. Dann verletzte er sich am linken Vorderfuß, wieder infizierte sich die Wunde, so dass schließlich der linke Vorderfuß amputiert wurde. Davies hatte uns ja schon erklärt, bei Straßenkindern wird eine Wunde nicht lange behandelt, sondern die entsprechend betroffenen Gliedmaßen amputiert.

Jetzt hat Daniel wieder eine eitrig-schmierige Wunde, die von uns versorgt wird. Von den Kids werden wir auf einen älteren Mann aufmerksam gemacht, der mit Krücken am Gehweg sitzt. Sie bitten uns, uns um ihn zu kümmern. Er hat einen Amputationsstumpf mit einer tiefen Wunde. Wir versuchen, auch diesen Patienten mit unseren eingeschränkten Möglichkeiten zu versorgen. Er ist uns sehr dankbar und erklärt, dass er schon seit 20 Jahren unter der Lepraerkrankung leiden würde.

Anzeige

Heidi und ich arbeiten einige Stunden auf dem Gehweg. Dann gibt es für jedes Straßenkind vom "Uhuru"-Team Brot und Milch. Man sieht wie sehr die Kinder und Jugendlichen das Essen im wahrsten Sinne des Wortes verschlingen. Davies kann dieses spärliche, aber so notwendige Essen, nur an zwei Tagen die Woche anbieten, da er nicht genügend Geld zur Verfügung hat. Pro Mahlzeit pro Kind kostet dies umgerechnet 0,75 Euro. Es wäre doch eine tolle Sache, wenn wir Spendengelder bekämen, damit die Kids mehr als nur zwei Mal pro Woche von der Mobil Clinic ein Essen ausgehändigt bekämen.

Empathie und Fürsorge

Die Kinder mit ihren vom Schnüffeln des Klebstoffes verklärten Augen, ihren Wunden, ihrer dreckige Kleidung und ihrem so selten gestillten Hunger zu sehen, macht zutiefst traurig, melancholisch und auch nachdenklich. Aber da ist noch etwas ganz Besonderes, was diese Straßenkinder auch besitzen und zeigen. Es ist eine gegenseitige liebevolle Fürsorge, eine authentische Dankbarkeit denen gegenüber, die etwas für sie tun, die sie mit Respekt behandeln. Viele geben uns zum Abschied die Hand, danken uns. Ein älterer Junge sagt zu mir: „Thank you Doc, you make a great Job!“

Und die Kinder sind umweltbewusst! In einem Papierkarton sammeln sie sämtliche Reste des Essens, des Verpackungsmaterials und sonstigen Abfall an diesem Ort der Behandlung und Essensausgabe ein. Diese Kinder und Jugendliche, die ein so unvorstellbar hartes Leben leben müssen, haben mich durch ihre Empathie, ihre Fürsorge und Authentizität sehr beeindruckt.

Von Gerhard Trabert