Fotograf sucht für Friedhof-Shooting mehr als 100 Statisten

Die Fotoinszenierungen von Moritz Koch haben stets etwas Surreales. Sie in Szene zu setzen, kommt der Regiearbeit beim Film ziemlich nah.

Der Mainzer Hauptfriedhof wird am 21. und 22. Januar zum Ort einer spektakulären Inszenierung. Jeder, der sich schwarz kleidet, Geduld mitbringt und sich anmeldet, kann mitmachen.

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Mainz. Einmal als Statist bei einem Kunstprojekt Teil einer großen Inszenierung werden? Wer diese Idee spannend findet, erhält dazu bald Gelegenheit. Der junge Mainzer Fotokünstler Moritz Koch plant Ende Januar seine bisher aufwendigste Bildinszenierung und sucht dafür über 100 Komparsen. Der ebenso aufreizende wie morbide Ort der Aktion: Die große Allee des Mainzer Hauptfriedhofs.

Drehgenehmigung für den Friedhof liegt bereits vor

„Eigentlich können sich gar nicht zu viele Interessierte melden“, sagt Koch, der darauf setzt, über die Zeitung und ihre Social-Media-Kanäle viele Interessenten zu finden, die Interesse und Geduld mitbringen, Teil einer großen Inszenierung zu werden, die zwei Tage in Anspruch nehmen wird. Das sogenannte Shooting wird am Samstag und Sonntag, 21. und 22. Januar, auf dem Friedhof stattfinden. Die Drehgenehmigung seitens der Stadt hat Koch bereits vor einigen Monaten erhalten.

Kochs aufwendig inszenierte Fotografien haben eher etwas von einem Filmdreh. Die panoramaartigen Fotos erwecken zunächst einen melancholischen bis melodramatischen Gesamteindruck. Bei genauer Betrachtung stecken sie dann aber voller Details, die fast eine romanhafte Geschichte erzählen – wenn man in die Bilder eintaucht und sich diese Geschichte erschließt. Keines dieser Details ist zufällig.

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Moritz Koch in seiner aktuellen Ausstellung in der Galerie der Stadt Rodgau.
Moritz Koch in seiner aktuellen Ausstellung in der Galerie der Stadt Rodgau. (© Jan Schmitt)

Entsprechend aufwendig sind Kochs Fotoinszenierungen. Sie gleichen eher einem Filmset als einer Fotosession. Das Exposé für die Produktion umfasst 20 Seiten. Über 30 Leute werden bei dem Shooting mitwirken – Produktionsleitung, Regieassistenz, Aufnahmeleitung, Lichtleute, Maske, Einkleidung, Catering, Fahrer etc. Allein den Ton muss Koch für seine Fotoprojekte nicht besetzen. Ein Großteil der Beteiligten unterstützt den 22-jährigen Künstler freundschaftlich. Für die anderen Kosten setzt er einen Großteil der Sponsorengelder ein, die er im Zuge seiner aktuellen Ausstellung in der Rodgau-Galerie einwerben konnte.

Humanoider Roboter wird wie bei einem Staatsbegräbnis beerdigt

Die Friedhofproduktion – „The Funeral Shooting“ – wird das letzte und aufwendigste Bild eines aktuellen Bildzyklus mit dem Titel „Nightmare in Paradise“ (Alptraum im Paradies). Die Bildreihe erzählt die dystopische Geschichte von einem humanoiden Roboter. Minerva ist von einer außerirdischen Macht auf die Erde entsandt worden, um die Menschen von der Zerstörung des Planeten abzuhalten. Sie muss allerdings erkennen, dass der größte Teil der Menschen für rationale, wissenschaftlich fundierte Argumente nicht erreichbar ist. Kochs Fotografien behandeln immer aktuelle politische und gesellschaftliche Herausforderungen, die er aber stets in einer 60er-Jahre-Ästhetik taucht.

Moritz Kochs Bilder sind geprägt von einer melancholischen Retro-Ästhetik. Sie transportieren zugleich eine technisierte Entmenschlichung.
Moritz Kochs Bilder sind geprägt von einer melancholischen Retro-Ästhetik. Sie transportieren zugleich eine technisierte Entmenschlichung. (© Moritz Koch)
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Bei dem Friedhofsprojekt wird der humanoide Roboter zu Grabe getragen, der von seinen Gegnern zuvor liquidiert worden ist. Bei der Szenerie auf dem Mainzer Hauptfriedhof im Charakter eines Staatsbegräbnisses werden die allesamt klassisch schwarz gekleideten Komparsen einen endlosen Trauerzug bilden. Die bereits besetzten Personen im Vordergrund des Bildes werden dagegen wie bei allen Bildern Kochs Figur für Figur in Szene gesetzt.

Interessierte können an beiden Tagen oder auch nur an einem Shooting teilnehmen

Bei der zweitägigen Produktion am 21. und 22. Januar will Koch zugleich eine neue Tür seiner aufwendigen Fotografie aufstoßen: Während am ersten Tag das klassische Breitwandfoto mit der Trauergemeinde hinter dem Sarg gemacht werden soll, will er am zweiten Produktionstag eine 360-Grad-Aufnahme inszenieren, die ihn vor ganz neue Herausforderungen stellt. Obwohl der Betrachter des 360-Grad-Bildes später überall hinwandern kann, sollen etwa die Beleuchtung und andere Requisiten auf dem Bild möglichst nicht zu sehen sein. Die 360-Grad-Kamera soll auf den abgesenkten Sarg gestellt werden, sodass das Bildmotiv an den Grabkanten beginnt.

Berliner Galerie nüüd hat Moritz Koch unter Vertrag genommen

Kochs ebenso künstlichen wie künstlerischen Fotos – die sich zwischen Helmut Newton, Peter Lindbergh und Kochs Vorbild Gregory Crewdson bewegen – fangen stets den magischen Moment einer Geschichte ein. Die Szenerien laden den Betrachter dazu ein, ihren Vorgeschichten und ihren Fortgang zu imaginieren. Der 22-Jährige hatte bereits mit 18 Jahren seine erste Ausstellung im Foyer des Mainzer Rathauses. Gerade erst hat ihn die Berliner Galerie nüüd unter Vertrag genommen, die auf Fotokunst spezialisiert ist. Die Galerie hat vor, Koch zur nächsten Berlin Art Week einer breiteren Öffentlichkeit bekanntzumachen.

Der Fotozyklus „Nightmare in Paradise“ soll in das Zentrum der Ausstellung rücken. Ein weiterer Grund, Moritz Koch bei seinen ambitionierten Plänen zu unterstützen – und sei es nur als Komparse am Ende des Trauerzuges.