
Im Kleingartenverein „Am Hartenberg“ sorgt eine gehisste Reichsflagge mit Fraktur-Aufschrift für Aufregung. Was der Besitzer der Flagge sagt und was die Stadt tun will.
Mainz. Kleingärten und Flaggen gehören scheinbar untrennbar zusammen. Das ist auch in den Kleingärten am Hartenberg so. Doch die Flaggen in einem der Gärten sorgen hier seit einigen Tagen für große Aufregung. Ausgerechnet im Garten des Vorsitzenden des zugehörigen Kleingartenvereins wehte kürzlich mehrere Tage lang eine Flagge in den Farben des Deutschen Reiches mit der Aufschrift „Vorsicht Sie betreten Deutsches Reich“. Andere Gartenbesitzer zeigen sich geschockt. Und nach den bundesweiten Ereignissen der vergangenen Jahre drängen sich einige Fragen auf: Markiert hier ein Anhänger der berüchtigten Reichsbürger-Bewegung sein Territorium? Welche Flaggen dürfen aufgezogen werden und was sagt die Stadt als Eigentümerin der Grundstücke zu dem Vorfall?
In der Kleingartensiedlung gegenüber dem Baseball-Platz ist die Unruhe groß. „Ich bin entsetzt“, erzählt eine Pächterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich hätte nicht gedacht, dass jemand die Dreistigkeit besitzt, eine solche Flagge hier aufzuhängen.“ Als sie die Flagge gesehen habe, habe sie eine Gänsehaut bekommen. „Ich will mit solchen Leuten nichts zu tun haben.“ Sie habe bereits mit anderen Garten-Pächtern über die Flagge gesprochen und man habe die Stadt informiert. Sie überlege, ob sie die Mitgliedschaft in dem Kleingartenverein kündigen solle. „Ich will nicht in einem Verein sein, der so etwas duldet.“ Das Verhalten falle schließlich auf alle Kleingärtner zurück und bediene das überholte Klischee von braunen Umtrieben in dem Milieu.
Wenige Tage nach dem Telefonat ist die schwarz-weiß-rote Reichsflagge bei einem Besuch vor Ort nicht mehr zu sehen. Stattdessen flattert nun die schwarz-weiß-schwarze Flagge des Königreichs Preußen an dem betreffenden Mast. Auch diese Flagge ist häufiger auf rechtsextremen Demonstrationen sowie im Reichsbürger-Umfeld zu sehen. Doch der Vorsitzende des Vereins wiegelt im Gespräch mit dieser Zeitung ab: Mit den Reichsbürgern habe er nichts zu tun, erklärt er. Mit der Bundesrepublik habe er kein Problem, doch als ein stiller Protest gegen die Regierung seien die Flaggen schon auch gedacht. Um die „deutschen Tugenden“ habe es damals besser gestanden, erklärt er und weist auf die preußische Flagge. Die Reichsflagge mit der Aufschrift habe er abgehängt, nachdem sich Leute beschwert hätten. Dabei habe er nur deutlich machen wollen, dass der Garten eben sein Reich sei. Die preußische Flagge habe er jetzt auch deshalb aufgehängt, da seine Familie aus Ostpreußen stamme. Er habe mal etwas anderes flaggen wollen, damit nicht überall dasselbe hänge.
Ob das die Nachbarn überzeugt, die teilweise Europa- und Regenbogenflaggen aufgezogen haben, bleibt zweifelhaft. Mit den Flaggen stelle sich der Mann klar außerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, kritisiert eine andere Pächterin. Sie habe sich wegen der Reichsflagge bereits bei verschiedenen Stellen deshalb gemeldet – und die preußische Flagge mache es nicht besser. Zumal der Mann auch schon zuvor mit manchen Parolen und Verhaltensweisen aufgefallen sei. Es sei zwar klar, dass die Flaggen nicht verboten seien, doch die Außenwirkung sei „krass“. Wie sie weiter vorgehen werde, wisse sie noch nicht, erklärt die Frau. Eine Möglichkeit sei, eine außerordentliche Versammlung des Vereins einzuberufen. Von der Stadt als Grundstückseigentümerin erwarte sie jedenfalls, dass sie sich eindeutig positioniere und mit dem Mann ein Gespräch geführt werde.
Stadt will Möglichkeiten einer Hausordnung prüfen
Die Stadt erklärt auf Anfrage dieser Zeitung, dass der Vorfall bekannt sei, doch die besagte Flagge sei nicht verboten. Ein Eingreifen sei nur möglich, wenn das Hissen einer Flagge eine Straftat darstelle oder wenn es einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstelle. Dies könne der Fall sein, wenn eine Flagge an einem bestimmten Ort oder Datum verwendet werde oder ein Zusammenhang mit einer Einschüchterungswirkung aufgrund bedrohlichen Auftretens bestehe. Zu ähnlichen Fällen aus der Vergangenheit lägen dem Ordnungsamt „keine Erkenntnisse vor“. Es werde nun geprüft, ob ein Verbot bestimmter Flaggen über die gesetzlichen Regelungen hinaus durch eine Hausordnung umgesetzt werden könne.