Ganz genau so könnte es ausgesehen haben: Das Römische Theater Mainz liegt jetzt in einer authentischen Illustration eines Berliner Architekturbüros vor.
MAINZ. Wer sich bislang nicht vorstellen konnte, welche gewaltigen Ausmaße das Römische Bühnentheater in Mainz hatte und sich an „Idealvorstellungen“ orientierte, hat jetzt ein nachgerade authentisches Bild vor Augen. Möglich gemacht hat das das Berliner Architekturbüro Jan Martin Klessing / Andreas Hoffschildt, das sich weltweit einen hervorragenden Ruf bei der Restaurierung antiker Bauten gemacht hat. Im Frühjahr waren die Experten durch den ehemaligen Landesarchäologen Dr. Gerd Rupprecht beauftragt worden, eine Studie zum Mainzer Theater zu erstellen, die nicht allein eine theoretische Rekonstruktion, sondern auf deren Basis auch eine möglichst exakte Darstellung beinhalten sollte. Die Vermessungsdaten, die überwiegend von Grabungsleiter Thomas Dederer zur Verfügung gestellt wurden, wurden vom Architektenteam in Zusammenhang gebracht mit den Architekturbefunden, den Fundamenten und Resten der Substruktionen.
Dezernentin Grosse begeistert von Arbeit
Jan Martin Klessing war übrigens nicht zum ersten Mal mit dem Bühnentheater befasst: Unter seiner Leitung wurden in den Jahren 2002/04 und 2008/10 Musterkonservierungen durchgeführt und „Konzepte zum Umgang mit dem Theater und zur Einbettung in die innerstädtische Umgebung“ erarbeitet. Jetzt stellte Klessing die Arbeit seines Büros bei Denkmaldezernentin Marianne Grosse nicht nur ihr, sondern auch dem Auftraggeber, sowie dem Vorsitzenden der Initiative Römisches Mainz (IRM), Dr. Hans Marg, und Mäzen Stefan Schmitz vor. Die Runde war begeistert, doch Klessing unterstrich, dass seine Studie auf keinen Fall die notwendige Bauforschung zum Theater ersetzen könne. Man habe lediglich den aktuellen Kenntnisstand zusammengefasst und dargestellt. Aber: „Die von uns präsentierte Lösung rückt in den architektonischen Grundzügen nahe an die historische Realität.“
Mit der jetzt vorliegenden Darstellung sei es aber durchaus möglich, neue Impulse für die Konservierung der antiken Reste zu geben, hofft Stefan Schmitz. Und die Dezernentin zeigt sich so begeistert von den vorgelegten Illustrationen, dass sie eine von ihnen, die einen Blick auf Zitadellenweg, sichtbare Substruktionsreste und eine Teilrekonstruktion des Theaters ermöglicht, am Zitadellenweg aufstellen lassen will, „damit sich jeder Besucher ein Bild davon machen kann, wie es hier zur Zeit der Römer in Mainz ausgesehen hat“.
Impulse gab es auch bereits im August, als bei einem zweiten Expertengespräch die „Konservierung des Römischen Bühnentheaters Mainz“ erörtert wurde. Und im nächsten Jahr soll vermutlich im Herbst ein Symposion mit Workshop ausgerichtet werden, das sich mit dem „Gesamtkonzept zur Präsentation und Nutzung des Römischen Bühnentheaters“ befassen soll. Dazu sollen auch Archäologen vergleichbarer Anlagen eingeladen werden, die ihre Erfahrungen bei der Präsentation antiker Bauwerke einbringen sollen.
„Wir erwarten, dass wir nach dem Symposion klarer sagen können, was wir wie präsentieren wollen“, hofft Marianne Grosse. Sie will im Vorfeld die vor vielen Jahren gebauten hölzernen Sitzreihen, die mittlerweile baufällig und nicht mehr betretbar sind, durch eine neue Konstruktion ersetzen lassen. Wieder aus Holz und damit „mit Verfallsdatum“, aber noch sei ja nicht klar, ob und wenn ja, wie eine dauerhafte Bestuhlung aussehen könnte. Denn: Es wurden keine erhaltenen Sitzstufen gefunden. Sie wurden möglicherweise schon im 4. Jahrhundert ebenso beim Bau der Stadtmauer verwendet, wie andere bereits zugehauene Steine aus dem Theater. Gerd Rupprecht weiß: „Die Gussmauerwerkgewölbe scheinen aber erst nach Jahrhunderten dem Steinraub zum Opfer gefallen zu sein.“
Große Ausgrabung von 2002 bis 2010
Zumindest ab dem 6. Jahrhundert wurden die Theatergewölbe wie Katakomben für Bestattungen aus umliegenden Klöstern genutzt. Erst mit dem Bau der Zitadelle Mitte des 17. Jahrhunderts sei, so Rupprecht, „aus verteidigungstechnischen Gründen“ das Bühnentheater völlig eingeebnet worden. Nach ersten Wiederentdeckungen des Theaters 1884 (als es als solches nicht identifiziert wurde) und 1916 (als es wegen des Weltkriegs wieder zugeschüttet wurde) war es Rupprecht, der 1999 den ersten Pfeiler fand, auf dessen Entdeckung von 2002 bis 2010 eine große Ausgrabung mit intensiver Beteiligung der Mainzer Bevölkerung folgte.