Ein Stück Frankreich im Herzen: 60 Jahre Städtepartnerschaft...

Das mittelalterliche Flair Dijons lockt heute noch Austauschstudenten aus Mainz. Archivfoto: Cheng Lui  Foto:
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Es gibt Wochenenden, an denen die burgundische Gourmet-Meile auf dem Gutenbergplatz selbst der lukullischen Pracht des Wochenmarktes die Show stiehlt. In den Auslagen duften...

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MAINZ. Es gibt Wochenenden, an denen die burgundische Gourmet-Meile auf dem Gutenbergplatz selbst der lukullischen Pracht des Wochenmarktes die Show stiehlt. In den Auslagen duften Pasteten, Weichkäse und Gewürzbrot. Daneben süffiger Pinot Noir, selbst gemachte Marmelade und die würzigen, aromatisch verschärften Senfkreationen aus Dijon. Nicht nur das kulinarische „Savoir-vivre“ verbindet die etwa gleich großen Metropolen an Rhein und Ouche. Die Partnerschaft zwischen Mainz und Dijon ist eine der ältesten in Deutschland, begründet noch vor dem Élysée-Vertrag 1963 als Dokument der Freundschaft zwischen den einstigen „Erbfeinden“.

In diesem Jahr feiert der Brückenschlag zwischen den beiden Städten sein 60-jähriges Bestehen. Den Keim der deutsch-französischen Aussöhnung legen bereits 1947 internationale Ferienkurse an der vom französischen Militär wiederbegründeten Johannes Gutenberg-Universität. 1953 macht sich Oberbürgermeister Franz Stein mit einer Delegation des Stadtrates auf in die Hauptstadt der Region Burgund, um Möglichkeiten einer Partnerschaft auszuloten. Dem ersten, noch etwas reservierten Kennenlernen folgen bald weitere Kontakte. 1954 treffen sich Professoren beider Universitäten. 1957 fährt erstmals eine Schülergruppe nach Dijon. Die Zeit ist reif für eine kommunale Verbrüderung. Am 5. Mai 1958 wird die Städtepartnerschaft feierlich besiegelt. „Bahnbrechend zu einer Zeit, in der die Wunden des Krieges noch allgegenwärtig waren“, sagt Oberbürgermeister Michael Ebling.

Während das Verhältnis zu anderen Mainzer Partnerstädten zuweilen auf Sparflamme köchelt, sind die Beziehungen zu Dijon über sechs Jahrzehnte vital geblieben. Wenn auch die „Fraternité“-Mobilisierungswelle der vergangenen Jahrzehnte etwas abgeebbt ist. In einem vereinigten Europa sei die deutsch-französische Freundschaft mittlerweile so sehr etabliert, dass man nicht mehr dafür werben müsse, sagt Barb-Frauke Silby, Vorsitzende des 1986 gegründeten Freundschaftskreises Mainz-Dijon. Die 180 Mitglieder meist älteren Semesters treffen sich jährlich mit Freunden aus Dijon, unternehmen Ausflüge und Kulturtrips nach Frankreich, haben einen eigenen Stammtisch. Die Jugend habe in einer globalisierten Welt exotischere Reiseziele als das nahe Nachbarland, meint Silby.

Studenten profitieren vom binationalen Programm

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Dennoch ist die enge Verzahnung im Bildungsbereich Motor eines kontinuierlichen Austausches zwischen den Nationen. Seit Gründung der Hochschulpartnerschaft zwischen der Mainzer Universität und der Université de Bourgogne 1977 können Studierende aus Mainz und Dijon jeweils wechselweise an den Partnerunis deutsch-französische Bachelor- und Masterstudiengänge in den Geistes- und Kulturwissenschaften absolvieren. Tausende Studenten profitieren bis heute von diesem binationalen Gemeinschaftsprogramm, das grenzüberschreitend nicht nur akademisch den Horizont junger Menschen weitet. Nach wie vor gibt es einen regen Schüleraustausch von Willigis-Gymnasium und Maria Ward-Schule. Und auch die sportlichen Bande zwischen Rheinhessen und der Region Burgund sind sehr eng.

Anfang Mai soll der Festakt zum Jumelage-Jubiläum in Dijon stattfinden, sagt Ebling. In Mainz will sich die Partnerstadt verstärkt auf Festen, wie dem Weinmarkt präsentieren. Verschiedene Ausstellungsprojekte, unter anderem mit dem Freundeskreis, sollen die langjährige Verbundenheit illustrieren. Im Juni konzertiert der Domchor in Dijon, im Dezember sind die Sänger des Maîtrise de Dijon zu Gast in Mainz.

Dreimal war Ebling in seiner Amtszeit in der burgundischen Kapitale. Besonders fruchtbar sei eine Einladung im Vorfeld des Pariser Klimagipfels 2015 gewesen, als eine Delegation der Stadtwerke Projekte zur Verminderung der Erderwärmung vorstellte – nach der Devise „Global denken, lokal handeln“. Ebling glaubt nicht, dass die über viele Jahre gereifte Städtepartnerschaft in Routine erstarren könnten. Eine starke deutsch-französische Achse gewinne bei den Zerrüttungen in Europa zunehmend an Bedeutung.

Vielleicht muss man zum Jubiläum auch gar nicht das ganz große Burgunderfass aufmachen. Die Partnerschaft mit Dijon funktioniere auch ohne größere Impulse, sagt Ebling. Mit dem Haus Burgund und dem Institut français hat sich Frankreich sowieso längst einen festen Platz im Herzen der Stadt erobert.