Egon Hartmann-Schau: Visionär des Mainzer Wiederaufbaus

Egon Hartmann (l.) und seine Mitarbeiter beim Stadtplanungsamt beugen sich 1958 über einen Plan der Mainzer Altstadt. Foto: Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner
© Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner

Von 1954 bis 1995 wirkte Stadtplaner und Architekt Egon Hartmann in Mainz, entwickelte Pläne, die teils heute noch Bestand haben. Das Landesmuseum widmet ihm eine Ausstellung.

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MAINZ. Nicht viele deutsche Innenstädte sind im 2. Weltkrieg so sehr zerstört worden, für kaum eine Stadt gab es so viele Aufbaupläne und kaum irgendwo sonst hat der Aufbau so lange gedauert wie in Mainz. Erst Mitte der 50er Jahre kommt Bewegung in die Planung – und diese Entwicklung trägt einen Namen: Dr. Ingenieur Egon Hartmann (1919-2009). Nun widmet das Landesmuseum Mainz dem Architekten und Städteplaner, der im August 100 Jahre alt geworden wäre, eine beachtenswerte Ausstellung. Ein Blick zurück in die Aufbaujahre.

Egon Hartmann (l.) und seine Mitarbeiter beim Stadtplanungsamt beugen sich 1958 über einen Plan der Mainzer Altstadt. Foto: Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner
So stellte sich Hartmann, der ein brillanter Zeichner war, 1956 die Große Bleiche vor. Foto: Egon Hartmann/Architekturmuseum der TU München

Sein fünfjähriger Mainz-Aufenthalt ist zwar nur Zwischenstation in Hartmanns Berufsleben und doch von größter Bedeutung für die Stadt. Er hinterlässt tiefe Spuren. Wie überall, wo er gearbeitet hat: Weimar, Berlin, Mainz, München.

Egon Hartmann stammt aus Reichenberg im Sudetenland, studiert in Weimar, bevor er als Panzerpionier in den Krieg muss. Im Kurland-Kessel im Baltikum wird er schwer verwundet, verliert seinen Unterkiefer, wird dutzendfach operiert und muss jahrelang mit künstlicher Atmung leben. Umso beachtlicher die Energie, mit der er erst in Thüringen, dann in Ost-Berlin ans Werk geht. Er siegt beim Wettbewerb um die Prachtstraße Stalinallee – um pikanterweise fünf Jahre später im Westteil beim berühmten „Hauptstadt Berlin“-Wettbewerb den zweiten Platz zu belegen ... Doch da arbeitet er schon Jahre im Westen.

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1954 übersiedelt er mit der Familie nach Mainz und tritt am 13. Juli 1954 seinen Dienst im Hochbauamt an. Ein Stadtplanungsamt gab es ebenso wenig wie einen Flächennutzungsplan, aber Hartmann und seine Mitarbeiter erstellten schon 1955 einen Rahmenplan, der manches visionär vorwegnimmt. So wird der Verkehr um das innerstädtische Trapez zwischen Schiller- und Schusterstraße, Großer Bleiche und Ludwigsstraße herumgelenkt, um dieses in sich geschlossene Viertel mit einer Fußgängerzone ab der Neubrunnenstraße zu erschließen und noch via Augustinerstraße weiterzuführen.

So wie dieses Konzept sind manche seiner Pläne wenn auch nicht 1:1, aber doch in starken Anklängen durchgeführt worden. So findet man auf seinen Entwürfen schon die Pavillonstruktur der Ludwigsstraße, die Altstadttangente oder die Rheinuferbebauung mit Hotel, Halle und Rathaus. Während sein Konzept für die Schlossplatzgestaltung nicht verwirklicht wurde. „Wäre man ihm noch mehr gefolgt, sähe Mainz heute noch schöner aus“, so Kurator Privatdozent Dr. Eduard Sebald mit einem Augenzwinkern. Die Ausstellung dokumentiert nach einer Einleitung zur Situation der Stadt nach dem Krieg und zu den Ideen anderer Planer in faszinierender Weise die Arbeit Hartmanns in Mainz. Zahlreiche, teils großflächige Pläne sind zu sehen – von Struktur- und Rahmenplänen von 1955 über den 1958er-Verkehrsplan bis hin zu zahlreichen, oft überraschenden Detaillösungen. Dazu gehören die Ideen für den Schlossplatz, die Anbindung der Straßenbrücke, die Große Langgasse oder die Schusterstraße. Oft werden die Pläne durch zeitgenössische Fotos, aber auch durch die brillanten Zeichnungen Egon Hartmanns unterstützt.

Sehr spannend ist seine Idee für die Anbindung der Straßenbrücke, die von einem Rondell auf der Kreuzung Große Bleiche/Flachsmarkt-/Bauhofstraße rechts an der Peterskirche und dem Zeughaus vorbei direkt auf die heutige Heussbrücke führen sollte. Auch hatte Hartmann an eine zweite Brücke von der Kaiserstraße nach Kastel gedacht.

Die Ausstellung ist keinesfalls nur für Architekten und Stadtplaner geeignet, sondern für alle, die sich für jene Zeiten des Wiederaufbaus interessieren. Die Pläne sind hervorragend reproduziert, die Erklärtexte knapp und auch für den Laien gut verständlich. Es macht Spaß, auf den Plänen mit den Augen spazieren zu gehen und zu prüfen, welche Änderungen angedacht waren und welche verwirklicht wurden.

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Zur Ausstellung gibt es auch einen sehr gut gemachten Katalog von Kurator Eduard Sebald und Dr. Ingenieur Rainer Metzendorf, einst selbst Architekt und Stadtplaner bei der Stadt Mainz und der wohl beste Kenner von Hartmanns Schaffen. Der in enger Kooperation mit dem Deutschen Werkbund entstandene 100-seitige Katalog widmet sich Biografie und Gesamtwerk Hartmanns, allerdings mit Schwerpunkt auf dem Mainzer Wirken. Das Buch ist sehr gut bebildert in hervorragender Wiedergabequalität, was umso bemerkenswerter ist, da von Hartmann kaum Originalpläne erhalten sind. Er hat aber all seine Arbeiten auf Dia-Film abgelichtet, und die Vergrößerungen dieser Fotos sind nun hauptsächliche Grundlage der Ausstellung.