Vor allem aus der rechten Szene müssen einige Mainzer Redner immer mehr Drohgebärden aushalten. Liegt das am Erstarken der AfD im Land und Bund? Oder liegt es auch an der Art...
MAINZ. Vor allem aus der rechten Szene müssen einige Mainzer Redner immer mehr Drohgebärden aushalten. Liegt das am Erstarken der AfD im Land und Bund? Oder liegt es auch an der Art und Weise des Vortrags?
Klar ist jedenfalls, dass die Solidaritätsbekundungen für die Mainzer Redner, die sich in der Bütt mit AfD und Co. anlegen und im Gegenzug Drohbriefe empfangen, nicht abnehmen. OB Michael Ebling (SPD) hatte sich hinter Hans-Peter Betz und Andreas Schmitt gestellt, als diese die Drohungen, die sie erhalten, öffentlich gemacht haben; Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verurteilt ebenso die Drohungen und Beschimpfungen. Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner schließt sich an und pocht auf Meinungs- und Kunstfreiheit für Fastnachter.
„Wir beobachten Sie“, hieß es im anonymen Schreiben an Hans-Peter Betz. Als „Volksverhetzung“ wurde sein Vortrag bezeichnet.
„Die trauen sich, den braunen Kopf zu heben“
Andreas Schmitt erhielt zuletzt einen anonymen Brief, offensichtlich von AfD-Befürwortern, in dem er als „fette SPD-Sau“ beschimpft wird. .
Beide wollen sich nicht einschüchtern lassen – ganz im Gegenteil. „Ich vertrete meine Meinung wie eh und je“, sagt Betz. Mut gehört für sein Empfinden nicht dazu. „Seppel Glückert, der hat sich gegen die Nazis aufgelehnt. Das war mutig, der hat sein Leben riskiert. Damit will ich mich nicht messen.”
Auch Andreas Schmitt will sich durch die Beschimpfungen nicht beeinflussen lassen. „Ich schreibe eher noch einen Gag dazu”, meint er. Dennoch: Beide finden, dass die Zahl und die Art und Weise der Beschimpfungen seit dem Erstarken der AfD in Deutschland schlimmer geworden sei. „Es gibt dank der sozialen Netzwerke auch mehr Möglichkeiten, sich zu äußern”, sagt Betz. „Die Scham bei den AfD-Sympathisanten ist verschwunden, die trauen sich jetzt den braunen Kopf zu heben.”
Fast alle politischen Redner haben diese Kampagne Verse und Gags gegen die AfD im Programm – so massiv wie bei Schmitt und Betz scheint der Gegenwind aus der rechten Ecke aber bei ihnen nicht zu sein. Der „Deutsche Michel“ Bernhard Knab hat zwar in früheren Jahren auch Erfahrungen mit Menschen gemacht, die ihm Angst einjagen wollten; einmal sei sogar seine Haustür beschädigt worden; „dieses Jahr bin ich allerdings bislang verschont geblieben”, sagt er. So wenig wie möglich darauf reagieren, so lautet Knabs Rat, der im Hauptberuf bei der Polizei ist.
Auch Friedrich Hofmann hat dieses Jahr keine Drohungen erhalten; im Gegenteil, er meint sogar, noch nie Probleme mit derlei Anschreiben gehabt zu haben. Was, so seine Meinung, aber auch an der Art des Vortrags liegen könnte. „Ich fechte eher mit dem Florett”, sagt er. Seine, zudem noch gereimte Form des Vortrags, rufe vermutlich nicht unbedingt das Pöbel-Publikum auf den Plan.
„Einige kämpfen mit dem Florett, andere mit dem Säbel”, sagt auch Helmut Schlösser, der bei den Bohnebeiteln im SWR-Fernsehen auftritt. Je populistischer und ungalanter die Rede sei, desto eher spreche sie Drohbriefschreiber an. „Meine Figur verträgt es nicht, mit der populistischen Keule um sich zu schlagen”, sagt er. Dennoch gebe es offenbar einen Trend hin zur „Holzhammer”-Rede. „Das närrische Volk versteht die Redner als Sprachrohr”, sagt er. Oftmals gebe es für unflätige Wortwahl mehr Applaus als für die feinere Ausdrucksweise. „Das muss aber jeder Redner für sich selbst entscheiden, ob er auf viel Applaus aus ist oder die geschliffene Form der Rede hochhalten will.” Als „politisch-literarische Fastnacht“ verstehe er allerdings eher die geschliffene Form des Ausdrucks; schade wäre es, wenn diese dem Populismus geopfert würde.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Rüdiger Schlesinger, der als „Red-Akteur” auftritt. Er setze eher auf die „subkutane Art”, der Politik und Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. „Wer draufhaut muss auch einstecken“, meint er in Richtung der Redner, die mit Bedrohungen konfrontiert würden. „Wer intelligent und humorvoll kritisiert, bringt die Botschaft auch rüber und schafft es im Idealfall sogar, dass der Betroffene über eine witzige und trotzdem scharfe Pointe herzhaft lacht.“