Die Zeitung und die Wirtschaft

Der Sommerabend der Wirtschaft 2019 auf dem Gelände der VRM. Foto: Archiv/Lukas Görlach
© Archiv/Lukas Görlach

Seit 75 Jahren schreibt die Allgemeine Zeitung Wirtschaftsgeschichte in Mainz und in Rheinhessen, schreibt Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der IHK Rheinhessen.

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MAINZ. Die Allgemeine Zeitung schreibt die Wirtschaftsgeschichte der Region mit und begleitet sie kritisch, ist für Unternehmen unverzichtbar und wesentlicher Teil der Medienvielfalt. Sie begleitet den Zahnpastahersteller Blendax nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Weg zum größten Arbeitgeber in Mainz. Sie ist vor Ort, als das Glasunternehmen Schott Anfang der 50er in die Stadt kommt, als Nestlé und IBM folgen. Sie fragt nach, warum die Familie Moritz ihr Haushaltswarengeschäft in der Innenstadt schließt. Und sie ist nur ein paar Straßen entfernt vom Welterfolg von Biontech.

Günter Jertz ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen. Der gebürtige Mainzer ist gelernter Redakteur. Von 1994 bis 2003 leitete er die AZ-Lokalredaktion in der Landeshauptstadt. Foto: IHK Rheinhessen
Der Sommerabend der Wirtschaft 2019 auf dem Gelände der VRM. Foto: Archiv/Lukas Görlach
Der Sommerabend der Wirtschaft 2019 im VRM-Garten. Foto: Archiv/Lukas Görlach
Wirtschaftstreff der VRM – 2019 im Kesselhaus Worms. Foto: Archiv/Andreas Stumpf

Seit 75 Jahren schreibt die Allgemeine Zeitung Wirtschaftsgeschichte in Mainz und in Rheinhessen – im Großen wie im Kleinen.

Netzwerk der Wirtschaft

Damit ist sie fester Teil der regionalen Wirtschaft – ohne sich von ihr vereinnahmen zu lassen: als kritische Begleiterin und Informationsquelle für Berufsstarter und Azubis, Geschäftsführerinnen und Mitarbeiter, Ladeninhaber und Kundinnen. Sie hat den Überblick über den Ausbildungsmarkt in der Region, sie berichtet über neue Geschäftsideen, sie weiß, wie es dem Handel in der Innenstadt geht, wo Arbeitsplätze gestrichen und wo neue geschaffen werden.

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Auch als Arbeitgeberin und Ausbildungsunternehmen ist die AZ Teil der Wirtschaft unserer Region – verankert im Bereich „Information und Kommunikation“, der allein in Mainz knapp 12 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und damit einen Anteil von gut zehn Prozent an der Gesamtwirtschaft stellt.

Ebenso ist sie Netzwerk und Plattform für ihre Region, mit eigenen Diskussionsforen und Großveranstaltungen wie dem Sommerabend der Wirtschaft. Mit Projekten wie „Zeitung lesen macht Azubis fit“ kooperiert sie direkt mit Betrieben vor Ort. Sie braucht Nähe, um zu wissen, was läuft – und Abstand, um kritisch zu berichten. Zwischen ihren Seiten steckt viel mehr Wirtschaft, als es auf den ersten Blick scheint.

Ein- und Überblick

Schließlich betrifft das Wirtschaftsgeschehen jeden Einzelnen, nicht nur die 43 000 Mitgliedsunternehmen der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen. Zu ihnen gehören unzählige Kunden, Auszubildende, aktuelle und künftige Fachkräfte. Und jeder von ihnen braucht eine gute Informationsbasis: Wer gerade die Schule beendet, will wissen, welche Branchen Azubis suchen. Wer gerne in der Innenstadt bummelt, fragt sich, ob der nette Buchladen um die Ecke noch eine Zukunft hat. Wer eine neue Geschäftsidee hat, interessiert sich für das Gründungsklima in der Region. Wer Azubis sucht, will wissen, auf welchen Wegen er Jugendliche für seinen Betrieb gewinnen kann. Und wer als Fachkraft neu in eine Region kommt, will den Wohnungsmarkt und das Kulturleben kennenlernen.

Seit 75 Jahren gibt die AZ hier Ein- und Überblick – und das macht sie auch für uns in der Industrie- und Handelskammer unverzichtbar. Sicher: In 75 Jahren hat sich die Medienbranche radikal verändert; einschließlich der unendlich vielen Wege, sich zu informieren. Wenn es allerdings um den Fokus in die eigene Region geht, wird die Auswahl schon dünner. Inmitten der regionalen Radio- und Fernsehsender, der Stadtmagazine, der Anzeigenblätter, der sozialen Netzwerke und Online-Angebote ist und bleibt die Zeitung ein wesentlicher Teil der Medienvielfalt ihrer Region. Diese Vielfalt brauchen nicht nur unsere Unternehmen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und sich mit ihrem Standort verbunden zu fühlen.

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„Zeitung“ bedeutet „Nachricht“

Für knapp zwei Drittel der Menschen gehört es zum Alltag, sich regelmäßig über das Geschehen vor Ort auf dem Laufenden zu halten, so eine Studie der Zeitungsmarktforschung Gesellschaft im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger aus dem Jahr 2019. Demnach sind die Zeitungen dafür nach wie das wichtigste Medium, noch vor persönlichen Gesprächen und anderen Internetangeboten: So nutzen 61 Prozent von ihnen die regionalen Tageszeitungen gedruckt und digital, um sich über die Ereignisse daheim oder in der näheren Umgebung zu informieren.

Ob die Informationen dann auf Papier, Tablet, Smartphone oder Kindle ankommen, als E-Paper, über den Newsfeed, den Social-Media-Kanal, als Film oder Podcast, bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Schließlich war auch das Wort „Zeitung“ nicht immer gleichbedeutend mit auf Papier gedruckten Inhalten; ursprünglich stand der Begriff für eine beliebige Nachricht, unabhängig von ihrer Erscheinungsform. Wichtig ist zunächst einmal, dass die Nachrichten weiter ankommen – und von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, eingeordnet und hinterfragt werden. Dafür braucht es Journalisten, die ihr Handwerk verstehen und die richtigen Bedingungen vorfinden, um es professionell auszuüben.

„Es lebe die Zeitung“

In 75 Jahren hat sich die Allgemeine Zeitung immer wieder neu erfunden, ihr Layout, ihre Stilformen und ihre Verbreitungswege verändert, den Dialog mit ihren Leserinnen und Lesern intensiviert. Wenn ihr das weiterhin gelingt, wird sie auch als Printmedium eine Zukunft haben: als Herz eines breiten Medienmixes. Als Möglichkeit, Informationen mit mehr Ruhe und Tiefe aufzunehmen. Und als (an)fassbares Qualitätszeichen für gründliche Recherche und unabhängigen Journalismus. „Die Zeitung ist tot. Es lebe die Zeitung!“, titelte Heribert Prantl im Mai 2010 in der Süddeutschen Zeitung. Das ist meine feste Überzeugung und mein Wunsch zum Geburtstag.

Von Günter Jertz