Chorgründer und -leiter Wolfgang Sieber gibt sein letztes Konzert mit dem Ensemble Vocale Mainz. Einen Abschied vom Chor bedeutet das für ihn jedoch nicht.
MAINZ. Es ist kein Abschied vom Chor in der gut gefüllten Kirche St. Bonifaz, aber ein altersbedingter Rückzug von Leitung und Dirigat des „Ensemble Vocale Mainz“. Wolfgang Sieber hat den 33-köpfigen gemischten Chor vor 35 Jahren ohne öffentliche Unterstützung gegründet und als Leiter und Vordenker geprägt und geformt. Die Bandbreite des optimal aufgestellten Chors zeigt sich bei Siebers Abschiedskonzert. Sie reicht von Chorbearbeitungen über Mehrchörigkeit, Chorlieder mit Klavierbegleitung, Madrigale und Tanzlieder bis zu Trost- und Abendliedern. Gottlob Benedict Biereys „Kyrie“ nutzt Beethovens Adagio der Mondscheinsonate als dezente Klavieruntermalung seines perfekt harmonierenden Werkes für vierstimmigen gemischten Chor. Dagegen beeindruckt Samuel Barbers „Agnus Dei“ mit gewagter, sprunghafter Melodieführung der Solostimmen und ätherisch anmutenden Engelschören. Der Wohlklang des achtstimmigen Frauenchores in Gustav Holsts „Ave Maria“ wird später im Wettstreit der Stimmen ausgetragen. Als impressionistische Pianoetüde beginnt Debussys „Salut Printemps“, das mit einer beeindruckenden Solostimme aufwartet und im rhythmischen Schluss mit einer munteren Melodie aufwartet.
Das erleichtert den Übergang zu drei Madrigalen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Während William Cornyshs „Ah, Robin“ als zartes Volkslied für dreistimmigen Männerchor daherkommt, erklingen die vierstimmigen gemischten Chöre von Palestrina (I faghi fiori) und „Come again“ von John Dowland bewegt und gesanglich in lichte Höhen strebend.
Eine Sonderform nehmen weltliche Tanzlieder ein. Die eher sanften Lieder von Heinrich Poos (nach Bert Brecht) künden von Abschied und Trauer, während die „3 Liebeslieder“ von Brahms zart, melodienselig oder dramatisch daherkommen. Zum Abschluss erklingen Abend- und Trostlieder von Hugo Wolf, Max Bruch und Max Reger in gemischten Chören.Regers „Die Nacht ist kommen“ erklingt als in allen Nuancen wundervoll ausgesungene Fürbitte.
Wer nach Sieber den Chor leitet, bleibt offen. Sieber erlaubte sich die Freiheit, der Chormusik in ihrer gesamten Bandbreite mit den besten Musikern nachzuspüren. So kennt er keine Berührungsängste zu alter wie neuer Musik. Neben Monteverdi, Palestrina, Hindemith und Ligeti hat er sich auch Mainzer Komponisten wie Peter Cornelius und Friedrich K. Wanek gewidmet. Es wird nicht leicht, diese Lücke zu schließen.
Von Fred Balz