Das Vorhaben der Stadt Mainz, 50 Hektar Ackerland für ein Gewerbegebiet auszuweisen, stößt auf Widerstand. Die Initiativen sehen die Frischluftzufuhr der Innenstadt in Gefahr.
Mainz. Gegen das Vorhaben der Stadt, 50 Hektar Ackerfläche entlang der Saarstraße als Baugelände für einen Biotech-Campus auszuweisen, regt sich Widerstand. Sieben Mainzer Umwelt- und Klimaschutz-Initiativen haben sich zusammengetan, um dieses Projekt zu verhindern. In einem ersten Schritt fordern sie, die für die Stadtratssitzung am 30. November geplante Entscheidung zur Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs für die Gestaltung des Areals zu vertagen. Im Stadtparlament indes gibt es eine breite Mehrheit, die die Stadt auf ihrem Weg, Biotech-Standort von internationaler Bedeutung zu werden, unterstützt.
Während auf dem Hochschulerweiterungsgelände an der Saarstraße zwischen Uni-Campus und der zum 05-Stadion führenden Eugen-Salomon-Straße bereits die Bagger rollen und die Erschließungsarbeiten laufen, um hier demnächst Gewerbe ansiedeln zu können, sind die Vorbereitungen für die Planungen für das stadtauswärts gelegene Gelände zwischen Eugen-Salomon-Straße und Bahnlinie in einer noch sehr frühen Phase. In einem Pressegespräch der „Vernetzungsgruppe Biotech-Areal Saarstraße” erläuterten am Mittwoch sechs Vertreter der Initiativen ihre Gründe für die Ablehnung der Ausweitung des Biotechnologie-Gebiets in Richtung Westen.
Versiegelung würde Innenstadt weiter erhitzen
Diese Ackerflächen sind von hoher Bedeutung für die Frischluftzufuhr für die Innenstadt, so Marcel Weloe vom Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). In diesem Gebiet „wird sowohl Kaltluft gebildet als auch Kaltluft aus Drais und Finthen den Hang herunterfließend weitergeleitet”, sagte der promovierte Chemiker. Die von der Stadt in Auftrag gegebene Klimprax-Studie habe gezeigt, wie wichtig gerade dieses Gebiet für die Frischluftversorgung der ohnehin im Sommer bereits stark von der Hitze betroffenen Bewohner der Neu- und der Altstadt sei. „17 Prozent der Kaltluft für die Innenstadt kommen aus diesem Gebiet.” Eine Versiegelung würde zu einer weiteren Erhitzung der Stadt führen.
Gerhard Weitmann hob die Bedeutung dieses 50 Hektar großen Areals, von dem 30 Hektar bebaut werden sollen, als Lebensraum für die Tierwelt hervor. Hier sei eine der letzten Flächen in Rheinland-Pfalz, in der der unter Schutz stehenden Feldhamster noch in größerer Zahl vorkomme. Laut der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU sei der Schutz dieses Lebensraums unerlässlich.
Unsere Erde ist nicht unendlich.
Der Gonsenheimer Landwirt Alfred Zimmer sagte zur Aussage der Stadt, dass für das bebaute Areal Ausgleichsflächen an anderer Stelle geschaffen werden sollten: „Ich frage mich wo? Unsere Erde ist nicht unendlich.” Das Gelände diene der Naherholung, sei sehr gepflegt bewirtschaftet, die Bodenqualität sei gut. Viele Landwirte seien nicht bereit, auf ihre Ackerflächen zu verzichten. Zimmer schätzt, dass es nur für etwa ein Drittel der Gesamtfläche eine Verkaufsbereitschaft von den Grundstückeigentümern gebe.
Hans-Georg Frischkorn von der Klimaschutz-Initiative Mainz Zero sagte: „Wachstum um jeden Preis ist nicht mehr vertretbar.” Die Neuansiedlung von Büroflächen auf bisher landwirtschaftlichen Flächen sei eine Vorstellung „aus dem letzten Jahrtausend”. Statt eines Biotech-Campus setzt Frischkorn auf „dezentrale Lösungen unter Nutzung von Konversionsflächen.” Ein solcher Campus auf der Grünen Wiese sei für Firmen, die die Stadt gewinnen will, nicht attraktiv. „Heute ist eine urbane Atmosphäre wichtig. Man oder frau möchte aus dem Büro gehen und ein Umfeld mit Cafés, kleinen Restaurants und Läden vorfinden”, so Frischkorn. Wo solche Flächen in Mainz sein könnten, ließen die Initiativen allerdings offen. Genannt werden das „Nestle-Gebiet” im Mombacher Industriegebiet und Flächen an der Messe im Wirtschaftspark Hechtsheim. Das sind jedoch alles andere als urbane Gebiete.
Matthias Gill, Ex-Ortsvorsteher von Ebersheim, betonte, die Stadt habe bereits Ende der 1980er Jahren als erste deutsche Kommune einen Klimaökologischen Begleitplan zum Flächennutzungsplan erstellt. Davon sei in den Folgejahrzehnten aber immer wieder abgewichen worden.
Einen Forderungskatalog mit acht Punkten, den Edith Heller (Mainz Zero) vorstellte, will die Gruppe nun den Mitgliedern des Bauausschusses übergeben. Zu den Forderungen zählen: Keine Verringerung der Kaltluftzufuhr durch eine Versiegelung der Flächen für die angrenzenden Stadtteile und die Innenstadt, Erhalt der „fruchtbaren Ackerböden” und der Grundwassererneuerungsgebiete, der Artenschutz und „eine ergebnisoffene Betrachtung von Alternativstandorten”.