Die Gruppe „Die Betonisten“ will die Architektur der Nachkriegsmoderne vom Image des „Hässlichen“ befreien. Dazu nutzen sie vor allem die Sozialen Netzwerke.
MAINZ. Glatt und steinern. Mal grau, mal braun. Aus Beton, Stahl oder Glas. So sieht die Fassade vieler Gebäude in der Stadt aus. Gebäude, die nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut wurden und die nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Das Urteil fällt oftmals ähnlich aus. „Hässlich.“ „Gefällt mir nicht.“ „Kann man abreißen.“ Diese Erfahrung hat zumindest eine Gruppe gemacht, die sich der Architektur der Nachkriegsmoderne verschrieben hat. Sie nennen sich „Die Betonisten“. Was nicht heißt, dass ihre Leidenschaft nur dem Beton gilt. Bei der Namensgebung habe man jedoch mit den Vorurteilen spielen wollen, die den Betonbauten oftmals entgegengebracht würden.
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Mit diesen Vorurteilen wollen die Betonisten, die im harten Kern aus neun Personen bestehen, aufräumen. „Nicht alles, was nach dem Krieg entstanden ist, ist eine Bausünde. Dafür wollen wir die Augen öffnen“, sagt Maximilian Kürten, eines der Gruppenmitglieder. Mainz verstehe sich als mittelalterliche Stadt, als Stadt der Neuzeit und des Barock und natürlich als römische Stadt. „Die Nachkriegsmoderne ist bei den Mainzern überhaupt nicht verhaftet“, sagt Kürten.
Dabei gibt es in Mainz viele – und in den Augen der Betonisten sogar viele herausragende – Beispiele für Bauten, die nach dem Krieg entstanden sind. Dazu gehört an erster Stelle das Rathaus. Aber auch die Bonifaziustürme, die Pavillons auf der Ludwigsstraße, das Allianzhaus, das Einkaufszentrum am Brand oder die Zentralmensa auf dem Campus der Universität zählen dazu. „Dahinter stecken Visionen und Ideen“, sagt Katharina Seubert-Lange. Dass die generelle Einstellung gegenüber den Gebäuden der Nachkriegsmoderne eher negativ sei, habe auch mit dem Zustand dieser Gebäude zu tun. „Da wurde nichts daran gemacht“, bemängelt sie die fehlende Sanierung.
Engagement auch beim Thema Ludwigsstraße
Die Betonisten wollen die Schönheit zeigen, die in den steinernen Gebäuden stecken. Dazu beitragen, dass Passanten beim Vorbeigehen nicht mehr „hässlich“ denken. Eines der Instrumente der Gruppe, die sich Anfang 2018 im Zuge der Diskussion um die Rathaussanierung gegründet hatte, ist die Ästhetisierung. „Wir wollen die Gebäude in einem anderen Licht zeigen“, sagt Maximilian Kürten. In einem schöneren Licht. Dazu nutzen die Betonisten die Sozialen Netzwerke.
Auf ihrem Instagram-Account finden sich Bilder, die auf den ersten Blick nicht immer zuzuordnen sind. Da sind die fein säuberlich aufgereihten Arne-Jacobsen-Stühle, eine Treppe in der Alten Chemie auf dem Uni-Campus oder das Treppenhaus des Kettelerkollegs.
„Wir suchen die blinden Flecken unserer Stadt“, schreiben die Betonisten auf ihrer Seite. Dazu zählen sie beispielsweise das Allianzhaus. „Auch bei Gebäuden, die nicht so im Fokus stehen, wollen wir zeigen, wie schön diese sein können“, sagt Jennifer Konrad. Das Allianzhaus sei ein Beispiel dafür, wie ein Gebäude mit guten gastronomischen Konzepten belebt werden könne, fügt Maximilian Kürten hinzu.
Denn genau darum geht es den Betonisten. Plätze und Gebäude der Nachkriegsmoderne sollten so saniert werden, dass die Menschen mit einem neuen Konzept wieder angelockt werden könnten.
Das wünscht sich die Gruppe, die aus Architekten und Designern besteht und deren Ursprung im Kunsthistorischen Institut der Uni liegt, beispielsweise auch für den Ernst-Ludwig-Platz. Sie selbst wollen ihren Teil dazu beitragen, indem sie vermitteln. Dazu bieten sie thematische Stadtführungen an oder nehmen an Aktionen teil, wie zuletzt beim „Sockelalarm“ auf dem Jockel-Fuchs-Platz.
Das aktuellste Thema, mit dem sich die Betonisten beschäftigen, ist die Ludwigsstraße. „Wir wollen den öffentlichen Raum und die Pavillonstruktur erhalten“, sagt Maximilian Kürten, der bemängelt, dass die Stadt ihre Instrumente nicht genutzt habe. „Die Stadt muss den Rahmen setzen und dann mit den Investoren sprechen.“ Die Angst, dass sich dann kein Investor finde, sei in der heutigen Zeit völlig unbegründet.
„Wir sind keine politische Initiative wie die BI Ludwigsstraße“, stellt Kürten klar. Sollte das neue Nutzungskonzept durchgesetzt werden, sieht er die Aufgabe seiner Gruppe in der Dokumentation der jetzigen „Lu“. „Was weg ist, ist weg“, sagt Kürten. Dann sollen wenigsten Fotos bleiben. Bilder der steinernen Schönheiten.