Aggressive Stimmung gegen Polizei: Verbale und tätliche...

Bespuckt, getreten, gebissen: Die Stimmung wird aggressiver, Polizisten sind nicht selten die Leidtragenden zunehmender Gewalt. Archivfoto: Frederik von Erichsen
© Frederik von Erichsen

Die Arbeit von Polizei und Ordnungsamt wird auch in Mainz tendenziell gefährlicher. Immer öfter werden sie selbst Opfer von Beleidigungen und Gewalt. 2017 wurden insgesamt 437...

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MAINZ. Sie setzen sich tagtäglich für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein, doch immer häufiger werden Einsatzkräfte von Polizei und Ordnungsamt selbst zum Ziel verbaler und gewalttätiger Entgleisungen. Das Verhalten gegenüber der Staatsgewalt und Uniformierten generell werde zusehends respektloser, berichtet Burkhard Hofmann, Leiter der Abteilung „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ beim Ordnungsamt.

Der Ton wird rauer, die Stimmung aggressiver: Aus verbalen Anfeindungen entwickeln sich handfeste Auseinandersetzungen. Mitte Mai wurden Mitarbeitern des Ordnungsamtes von einem psychisch auffälligen Mann, den sie zur psychiatrischen Untersuchung abholen sollten, an der Wohnungstür mit einem gezückten Messer und den Worten „Euch zwei Lappen vom Ordnungsamt steche ich ab“ in Empfang genommen. Der Mann wurde von fünf Personen gefesselt, zwei wurden dabei verletzt.

Kein Einzelfall, berichtet Hofmann. Im Durchschnitt habe man in diesem Jahr pro Woche in bis zu fünf Fällen wirklich „zupacken“, also körperliche Gewalt anwenden müssen. Im Vergleich zu 2017 sei dies ein leichter Rückgang, den Hofmann aber vor allem darauf zurückführt, dass man 2017 gemeinsam mit der Polizei verstärkt in den Brennpunktbereichen rund um Hauptbahnhof und entlang der Kaiserstraße präsent war und kontrolliert hat.

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Schulungen zur eigenen Sicherheit

Doch bis heute werden Mitarbeiter regelmäßig angegangen. Der Großteil der Vergehen werde laut Hofmann nicht zur Anzeige gebracht. Lediglich zehn Übergriffe wurden 2017 vom Ordnungsamt angezeigt. Darunter waren jedoch nicht nur Körperverletzungen, sondern auch Beleidigungen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen. Immer häufiger gerät auch die Fahrzeugflotte ins Visier von Randalierern. Immer öfter bleibe es nicht bei Beleidigungen und Beschimpfungen. Einsatzkräfte würden bedroht, getreten oder gebissen. Zunehmend in den Fokus rücken neben Gruppen betrunkener Jugendlicher und Obdachlosen auch psychisch auffällige Personen. 2017 brachten die Beamten 950 Menschen der letzten Gruppe in die Unimedizin, wo über eine Einweisung in die Klinik entschieden wurde. 2016 waren es noch 850.

Doch die Behörden reagieren auf die vielfältigen Herausforderungen. Voraussichtlich ab dem 1. Juli werden alle Mitarbeiter in Einsatztrainings geschult, lernen, auf Menschen zuzugehen, sich selbst zu sichern. Auch personell wurde aufgestockt – von 34 auf 38 Mitarbeiter.

2017 wurden 437 Vergehen gegen Polizisten angezeigt

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„Mainz ist eine junge, aufstrebende Stadt“, sagt Hofmann. Gerade im Sommer und an Wochenenden zieht es die Menschen in die Stadt, ans Rheinufer. Und die Anzahl der Passanten wird weiter zunehmen, so Hofmann. „Die Menschen drängen zusehends in den öffentlichen Raum.“ Zumal immer mehr jüngere Menschen nach Mainz zögen, gleichzeitig auch die Anzahl der Veranstaltungen zunehme. Das Rheinufer entwickelt sich zum Besuchermagneten. Menschen treffen sich in der Stadt und trinken Alkohol. Mit dem Alkoholpegel steige bei manchem jedoch auch das Aggressionspotenzial.

Gleichzeitig sinkt die Hemmschwelle. Das bekommt auch die Polizei zu spüren. Szenen, wie sie sich am Wochenende am Rande des Darmstädter Schlossgrabenfestes abspielten, als Polizisten von über 100 Personen angegriffen wurden, gab es in Mainz in der jüngeren Vergangenheit zwar nicht. Dennoch wurden im vergangenen Jahr 437 Vergehen gegen Polizisten im gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums (PP) Mainz, das sich über Rheinhessen und angrenzende Gebiete erstreckt, angezeigt. Im Jahr 2016 waren es zum Vergleich noch 450. Die Palette reicht dabei von Beleidigungen über Widerstand und Landfriedensbruch bis zur Körperverletzung. Die Anzahl der Delikte ist leicht rückläufig. Doch die Übergriffe werden immer brutaler. Im vergangenen Jahr wurden im Zuständigkeitsbereich des PP Mainz 128 von 1082 eingesetzten Polizisten verletzt. Alleine im Mainzer Stadtgebiet gab es laut der jüngsten Kriminalstatistik des BKA im Jahr 2016 106 Widerstände gegen Polizisten, also 50,5 Fälle pro 100.000 Einwohner. 2015 waren es noch 41,5 Fälle pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Wiesbaden gab es nur 26,4 Widerstände pro 100.000 Einwohner, in Darmstadt 29 (insgesamt 45) und in Frankfurt 66,5 (insgesamt 487).

Immer wieder kommt es zu Übergriffen, insbesondere an Hauptbahnhof und Kaiserstraße, wo allerdings auch am häufigsten kontrolliert wird. Wie am Wochenende: Ein 33-Jähriger grölte nationalsozialistische Parolen. Als Polizisten ihn kontrollieren wollten, griff er mit Knie- und Kopfstößen an. Ein unbeteiligter 31-Jähriger mischte sich ein und griff ebenfalls an. Im April 2017 wurden auch in der Kaiserstraße sieben Polizisten verletzt, nachdem sich junge Männer weigerten, kontrolliert zu werden.