Abstand beim Überholen schützt Radfahrer

Seit dem Winter 2017/2018 ist die Heckfläche eines Linienbusses des Stadtverkehrs Esslingen SVE im Einsatz mit dem Aufkleber, der auf den Sicherheitsabstand beim Überholen von Radfahrern hinweist. Fotos (2):Stadt Esslingen

Nach der Kritik an der Fahrweise von Busfahrern startet die Mainzer Mobilität eine Plakat- und Werbeaktion, um auf das besondere Schutzbedürfnis von Radlern hinzuweisen.

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MAINZ/SCHWERIN/ESSLINGEN/BONN/KÖLN. Schweriner Busse tragen sie. In Esslingen und Nürnberg haben sie die Werbung auf der Rückseite von Bussen ebenfalls abgelöst. Und in Bremen hatte die Verkehrsgesellschaft 2012 erstmals die Idee für diese Aufkleber. Dabei handelt es sich um großflächige Bilder, die zeigen, dass der Mindestabstand eines Fahrzeugs 1,50 Meter betragen sollte, wenn Radfahrer überholt werden.

Seit dem Winter 2017/2018 ist die Heckfläche eines Linienbusses des Stadtverkehrs Esslingen SVE im Einsatz mit dem Aufkleber, der auf den Sicherheitsabstand beim Überholen von Radfahrern hinweist. Fotos (2):Stadt Esslingen
Esslingen macht aber noch mehr: Zwölf Info-Schilder werden temporär an Straßenabschnitten für je zwei bis vier Monate aufgestellt.
Auch Polizeidienststellen, etwa in Bonn, setzen eigene Aufkleber ein. Foto: Polizei Bonn
In Schwerin sind Aufkleber seit September 2017 im Einsatz. Foto: Nahverkehr Schwerin GmbH

Wenn es nach dem ADFC Mainz-Bingen und dem VCD gehen würde, gäbe es in Mainz schon längst eine gemeinsame Kampagne mit der Mainzer Mobilität (MM) zum Sicherheitsabstand beim Überholen von Radfahrern. Jürgen Linde vom VCD sagt: „Tagtäglich erlebe ich, wie dicht Radfahrer überholt und abgedrängt werden.“

Schulung der Busfahrer ist wichtiger als Aufkleber

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Laut Stadtpressesprecher Marc André Glöckner stehe die Verkehrsverwaltung „dem Vorstoß sehr positiv gegenüber“, da hiermit ein wichtiges Signal für ein sicheres Miteinander von Auto- und Radfahrern im städtischen Verkehr gesetzt werden würde.

Die Antwort von MM-Sprecher Michael Theurer zu dem Thema fiel vor vier Wochen zunächst dünn aus. Grundsätzlich sei die Idee „interessant“ und werde „wohlwollend“ geprüft. Auf erneute Nachfrage dieser Zeitung teilt er schließlich mit: „Wir sind dabei, Plakate zu diesem Thema anfertigen zu lassen, die in einigen Wochen auf der Heckfläche von zwei Bussen veröffentlicht werden.“

Generell unterstütze die MM diese Aktion. Aber man habe den Eindruck, dass in der bisherigen Diskussion Busse „als permanente Gefahr für Radfahrer“ hingestellt werden würden. Klar sei ein Bus eher eine Gefahr für einen Radfahrer als umgekehrt. „Das grundsätzliche Problem ist aber, dass für den Radverkehr die Radwegpflicht immer mehr zurückgenommen wird.“ Das wolle er gar nicht bewerten, so Theurer. Aber so würden immer mehr Radler auf den Straßen fahren, und dort sei der Platz begrenzt. „Das soll jetzt keine generelle Schelte am Radverkehr sein – mit MVGmeinRad haben wir ja auch die Interessen der Radfahrer und unserer Kunden im Blick“, teilt der Pressesprecher mit.

Wilfried Eisenberg hat zum Verhalten der Busfahrer eine andere Einstellung. Der Geschäftsführer der Nahverkehr Schwerin GmbH (NVS) war es, der die Idee in Bremen etabliert hat, damals als Vorstand der Bremer Straßenbahn AG. Auch in der rund 96 000 Einwohner starken Stadt Schwerin habe sich das Konzept schnell durchgesetzt, berichtet er und betont: „Viel wichtiger als die Aufkleber ist uns aber die Schulung unseres Personals. Damit Busfahrer auf der Straße nicht meinen, den dicken Max markieren zu müssen, indem sie ihre Vorfahrt erzwingen.“

Auch in Esslingen wurde die Problematik erkannt: Hier hatte der ADFC die Stadt darauf aufmerksam gemacht, wie Ignazio Ceffalia vom Büro des Oberbürgermeisters informiert. Zwischen ADFC und der Verkehrswacht wurde dann die Buswerbung entwickelt und ab Winter 2017 auf der Heckfläche eines Linienbusses des Stadtverkehrs Esslingen eingesetzt. Doch nicht nur das. Zwölf grüne Informationsschilder werden temporär an verschiedenen Straßenabschnitten für zwei bis vier Monate aufgestellt. Das Land Baden-Württemberg und die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern habe die Abstandskampagne sogar als gutes Beispiel des Monats April 2018 ausgezeichnet, berichtet Ceffalia.

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Doch nicht nur Kommunen, auch einige Polizeidienststellen sind für das Thema sensibilisiert. Beispielsweise in Köln – dort gibt es die Aufkleber seit Dezember 2017. Wie Christoph Schulte von der Polizeipressestelle berichtet, komme die Aktion gut an: „Wir wurden sogar schon von Privatpersonen gefragt, ob sie auch einen Aufkleber haben können.“

Die Kollegen in Bonn haben die Idee prompt übernommen. 80 Streifenwagen fahren seit April mit dem Aufkleber (siehe Foto). „Wir haben festgestellt, dass zu 90 Prozent der nötige Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird“, sagt Michael Beyer von der Polizeipressestelle.

Sowohl in Bonn als auch in Köln wurden die Aufkleber in Zusammenarbeit mit dem ADFC entwickelt, die Kosten wurden geteilt.

Wie Rinaldo Roberto, Pressesprecher der Mainzer Polizei, auf Anfrage informiert, wurde das Thema erst vor Kurzem bei der Landestagung Verkehrsabteilung aller Präsidien besprochen. „Wir werden das Thema nächstes Jahr angehen und den Radverkehr insgesamt 2019 mehr in den Fokus rücken.“