Wünsche für die Mainzer Neustadt auf weißen Stühlen
Groß und Klein machen mit bei der Aktion „Chairytales“ im Goethepark. Die 100 Stühle sollen in der Kulturbäckerei ihren Platz finden, wenn sie wieder einziehen kann.
Von Marianne Hoffmann
Von Picknickdecke bis Sportplatz: Auch die Kinder gestalten im Goethepark Stühle. 100 sollen es werden und später in der Kulturbäckerei genutzt werden.
(Foto: hbz/Jörg Henkel)
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NEUSTADT - Der Goetheplatz in der Neustadt zeigt an diesem heißen Junitag sein Sommerbild. Junge Leute haben es sich auf dem verdorrten Grün bequem gemacht, Mütter spielen mit ihren Kindern, während es sich die älteren Herrschaften auf den Bänken nahe der Rosenbeete bequem gemacht haben. Also alles wie immer – wären da nicht Sabine Felker und Jürgen Waldmann von der „Initiative für ein soziokulturelles Zentrum in der Mainzer Neustadt e.V.“, der Kulturbäckerei. Sie bauen im coronasicheren Abstand schneeweiße Stühle auf, Absperrband dazwischen. Mit den Stühlen werden ein Eingang und ein Ausgang geschaffen, schwarze, wischfeste Stifte liegen desinfiziert in einem Kästchen, am Ausgangsstuhl wartet ein weiteres Kästchen darauf, dass die benutzten Stifte abgegeben werden. „Chairytales“, sagt Sabine Felker, „ist unser neuestes Projekt, das wir schon im Oktober vergangenen Jahres angedacht hatten. 100 weiße Stühle sollen die Geschichten und Wünsche für die Neustadt von Passanten aufnehmen und später, wenn wir wieder in die Kulturbäckerei einziehen können, ist das die Bestuhlung des Hauses“. Zwei Jahre wird die Renovierung der alten Kommissbrotbäckerei dauern, bis die Kulturbäckerei wieder einziehen kann. Coronabedingt ist das Projekt jetzt in viele kleine Stuhleinheiten zersplittert. Angezogen durch zwei „Chairytale“-Plakate, haben sich Aylin und Deriya, 19 und 20 Jahre alt, noch schnell mit einem Stift bewaffnet und machen sie sich ans Werk. Die Schwestern sind in Mainz geboren und in der Neustadt aufgewachsen, sie sprechen neben Deutsch auch Türkisch wie ihre Eltern und mischen in der Beschriftungsaktion beide Sprachen, notieren in Windeseile Zahlen, deren Bedeutung nur sie kennen und schreiben zum Schluss das Wort „Güven – Vertrauen“ auf Türkisch hin. So schnell, wie sie gekommen sind, sind sie wieder weg.
Mittlerweile sind Ute Faust, Ulrike Hemerka und Melanie Zlinali gekommen. Die Kulturbäckerei hat die drei Schauspielerinnen, die einer Modern Dance Company der Mainzer Sporthochschule angehören, engagiert. Sie sollen das, was sie auf den Stühlen lesen oder aber auch gemalt vorfinden, bildlich umsetzen. Während sich die Performancedarstellerinnen noch aufwärmen, sind schon einige Mütter mit ihren Kindern in Aktion. Die Kleinen malen von der Picknickdecke bis zum Sportplatz alles, was sie sich wünschen, und die Mütter verschriftlichen diese Wünsche bis hin zu eigenen Vorstellungen für die Neustadt. Claudia Forkel ist mit ihrer Tochter Jana (4) gekommen und sie wünscht sich mehr öffentliche Toiletten. „Wenn die Kinder trocken werden“, sagt Forkel, „und ich mit Jana unterwegs bin, dann kann ich sie nicht auf eine Toilette setzen.“ Ein verständlicher Wunsch für Ortsvorsteher Christoph Hand, der die Aktion klasse findet.
DAS PROJEKT
Im Oktober sollen alle 100 Stühle in einer Aktion am Rheinufer gezeigt werden. Der Titel „Kulturkilometer“ wird ergänzt durch weißer Zollstöcke, die von Vereinen beschriftet werden, aufgezeichnete Wortmeldungen unterstützen das Projekt.
Weitere Termine für die Stuhl- und Zollstockaktion unter www.kulturbaeckerei-mainz.de.