„Wild im Herzen“: Entschleunigte Kindermode aus Mainz
Schlicht, bequem – und wild. So mag Arleny Stegmaier die Mode, die sie für Kinder macht. „Wild im Herzen“ heißt ihr Label, die Produktion ist aber alles andere als wild.
Von Torben Schröder
Im Shop „Kollektiv Mainz“ findet sich die Kindermode von Arleny Stegmaier.
(Foto: Anastasia Stefan)
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MAINZ - Mit Astrid Lindgren ging es los. „Sei frech, wild und wunderbar“, das auf unzähligen Postkarten und Erbauungsbildchen vervielfältigte, angebliche Zitat der schwedischen Schriftstellerin traf bei Arleny Stegmaier einen Nerv. Sie fand den Spruch auf der Plattform Instagram, stellte ihrem Sohn ein Holzschild damit ins Kinderzimmer – und hatte den Namen ihres eigenen Modelabels im Sinn. „Wild im Herzen“ heißt es. Und so wie der Sohnemann offenbar der Aufforderung, die der Pippi-Langstrumpf-Autorin zugeschrieben wird, folgt, so sehr konnte die Schweizerin mit ihren nach Bio-Kriterien gefertigten Kinder-Kleidungsstücken bei den Mainzern landen.
„Ich hätte gleich mit einem Laden anfangen sollen“, erzählt Stegmaier, die vor acht Jahren der Liebe wegen nach Mainz zog. Vor zweieinhalb Jahren ging es mit „Wild im Herzen“ los, einstweilen im Online-Versand und dort recht mühsam. Denn Nachhaltigkeit ist trendy, und inmitten all der Angebote durchzudringen, ohne massiv in Netz-Präsenz zu investieren, gestaltete sich deutlich schwieriger, als in der Mainzer City Kunden anzulocken.
Die ersten drei Monate dieses Jahres verkaufte sie die selbst designten Kleidungsstücke in einem Pop-Up-Store in der Gaustraße, seit Juni betreibt sie gemeinsam mit Vera Kohl („Dicke Lilli, gutes Kind“) den Shop „Kollektiv Mainz“ in der alten Feuerwache in der Neubrunnenstraße. Elf Labels verkaufen dort ihre Produkte und Dienstleistungen, die Initiatorinnen sprechen von einer „Shop-WG“.
Eine Stange gehört Stegmaiers Kollektion, die indes alles andere als von der Stange ist. Die Baselerin ist vom Fach, studierte in Zürich Mode-Design, arbeitete dann in Frankfurt als Designerin – und geriet, der Oberflächlichkeit der Branche wegen, in eine „Sinnkrise“. Nach einem halben Sabbat-Jahr in Südostasien absolvierte sie eine Ausbildung zur Erzieherin, doch dann lockte das alte Handwerk wieder. Allerdings hatte Stegmaier feste Vorsätze, auf welcher Wertebasis ihre Arbeit stehen soll. Von „nachhaltiger, entschleunigter und bewusster Kindermode“ ist auf ihrer Homepage die Rede. Die Materialien und Stoffe sind Bio-zertifiziert. Auch die Umstände der Herstellung sind ihr wichtig. Eine familiengeführte Manufaktur in Portugal stellt die Kleidungsstücke her, nach Stegmaiers Vorgaben. Die handgefertigten Muster werden dazu per Post in die Nähe Portos geschickt, das Gegenmuster nochmals in Mainz begutachtet, dann erst wird produziert.
„Leny“ Stegmaier ist inzwischen zweifache Mutter. Anfangs nähte sie die Kleider auch selbst, doch bald war klar, dass das nicht machbar ist. „Würde ich noch einmal gründen, würde ich vieles anders machen“, sagt sie. Vor allem: sich mehr beraten lassen. „Wild im Herzen“ ging es los, sozusagen. Potenzielle Fertiger in der Türkei, China oder Bangladesch kamen wegen politischer Lage und Transportwegen nicht in Frage. Die Wahl-Mainzerin ist Einzelunternehmerin geblieben, mit einer Aushilfe im Social-Media-Bereich. Leben kann sie von der Mode noch nicht. Das Festgehalt des Ehegatten gibt Sicherheit, die Selbstständigkeit zu wagen.
Und sie weiß, was sie will. Kleidung, die lange hält, gern auch weitergegeben werden soll, aus hochwertigen Materialien und gut gearbeitet. Glitzer und bunt, das ist nicht ihre Welt, rosa Kleidchen für die Mädels und Blautöne für die Jungs ebenso wenig. „Ich mag es schlicht und bequem“, sagt sie. „Mamataugliche“ Kleidung für Erwachsene kommt allmählich hinzu, gute Resonanz würden Kleider im Partnerlook erzielen. Ihren Ideen kann sie freien Lauf lassen, im Herbst gibt es die Ergebnisse wieder auf dem Stijl-Markt in Mainz zu sehen.