Donnerstag,
07.06.2018 - 03:00
4 min
Wiesbaden: 13-jähriger Zeuge bringt Polizei auf die Spur zum Fundort der Leiche von Susanna F.
Von Wolfgang Degen und Nicholas Matthias Steinberg

Polizeisprecher Andreas Hemmes berichtet unweit des Fundorts der Leiche über die bisherigen Erkenntnisse. Fotos: René Vigneron ( Foto: )
WIESBADEN/MAINZ - Es ist ein schwer zugängliches Gelände in der Gemarkung „Unterm Kalkofen“ nahe Erbenheim. Eingeklemmt zwischen dem Bahngleis und der A 66. Versteckt in einem Gebüsch hat die Polizei am Mittwoch gegen 14 Uhr eine weibliche Leiche gefunden. Sie war vergraben und zusätzlich noch mit einem Reisigbündel abgedeckt. Auch wenn die offizielle Bestätigung noch aussteht – gefunden wurde die Leiche der 14-jährigen Susanna F. aus Mainz. Die Schülerin galt seit dem 22. Mai als vermisst. Zuletzt war sie in Wiesbaden gesehen worden, hier hatte das Mädchen, wie später bekannt wurde, mehrere Anlaufstellen in der Innenstadt. Am 30. Mai wurde der Vermisstenfall der Wiesbadener Polizei übertragen, die umgehend eine Öffentlichkeitsfahndung mit Bild der 14-Jährigen einleitete.
Eine Festnahme am Mittwochabend
Den entscheidenden Hinweis hatte nach Informationen dieser Zeitung ein 13-Jähriger geliefert. Er hatte der Polizei berichtet, von einem 20-Jährigen gehört zu haben, dass das Mädchen tot sei, dass der 20-Jährige damit zu tun habe, und der junge Zeuge soll auch ungefähre Angaben dazu gemacht haben, wo die Leiche gefunden werden könnte. Bei dem 20-Jährigen handelt sich um einen irakischen Asylbewerber aus der Flüchtlingsunterkunft im Kreuzberger Ring. Auch zur möglichen Tatzeit gab es einen Anhaltspunkt – die 14-Jährige soll schon am 22. oder 23. Mai getötet worden sein. Der Iraker, der nach Angaben der Staatsanwalt zum jetzigen Zeitpunkt als „verdächtig“ gilt, soll nach Informationen dieser Zeitung die Erbenheimer Asylbewerberunterkunft schon vor Tagen verlassen haben – samt Angehörigen. Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge soll der 20-Jährige mit seiner Familie in den Irak ausgereist sein. Unklar ist unterdessen, ob weitere Personen beteiligt gewesen sein könnten. Am Donnerstag wollen in Wiesbaden Polizei und Staatsanwaltschaft ab 11.30 Uhr bei einer gemeinsamen Pressekonferenz weitere Informationen liefern. Am Mittwochabend wurde bestätigt, dass es im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Gewaltverbrechen eine Festnahme gegeben hatte.
Nach den Informationen des 13-Jährigen hatte die Polizei mit Kräften der Bereitschaftspolizei am Montag eine größere Suchaktion unweit der Flüchtlingsunterkunft gestartet, das Gelände wurde durchkämmt. Der Personaleinsatz wurde aufgestockt und das abzusuchende Areal ausgedehnt. Und „Unterm Kalkofen“, nur wenige hundert Meter von der Flüchtlingsunterkunft, wurde dann aus dem Vermisstenfall ein mögliches Tötungsdelikt.
Bis zu dieser Gewissheit wurden zwei Arbeitshypothesen verfolgt: ein mögliches Verbrechen, oder ein mögliches Abtauchen der 14-Jährigen. Eines der letzten Lebenszeichen des Mädchens war eine WhatsApp-Nachricht an ihre Mutter in Mainz. Geschickt am 22. Mai, nachmittags um 16.56 Uhr. Darin steht: „Mama ich komm nicht nach Hause. Ich bin mit meinem Freund nach Paris gefahren. Such mich nicht. Ich komm nach 2 oder 3 Wochen. Bye.“
In einem TV-Interview erklärte Mutter Diana F.: „Das ist keine Schreibart von meiner Tochter und ich weiß nicht, ob es in ihrem Einverständnis geschrieben wurde.“ Auf ihrem Facebook-Account erklärt die Mutter, ihre Tochter sei zuletzt am Folgetag, also am Mittwoch, 23. Mai, um 8.48 Uhr bei WhatsApp online gewesen. Danach sei ihr Handy ausgeschaltet gewesen. Am Mittwochabend, 23. Mai, meldete die Mutter das Mädchen bei der Mainzer Polizei als vermisst. Die Mutter und andere Angehörige machten in den sozialen Netzwerken den Vermisstenfall publik. Sie bat um Unterstützung, indem bundesweit der Fall geschildert werden sollte. Ein „Albtraum“ sei das Verschwinden ihres Kindes, schrieb die Mutter. „Ich bete und hoffe nur, dass ihr nichts Schlimmes zugestoßen ist. (…) Bitte helft mir, meine Tochter wieder heil zu finden.“ Dieser Beitrag wurde bei Facebook über 107 000 Mal geteilt. Einen Tag später wandte sie sich direkt an ihre Tochter: „Gib mir bitte wenigstens nur ein kurzes Lebenszeichen von dir.“ Man habe sich doch meistens gut verstanden. Zu mutmaßlichen Hintergründe des Verschwindens hielt sich die Polizei in Mainz während der ganzen Zeit bedeckt. Sie ist aus ermittlungstaktischen Gründen zurückhaltend, wenn Teenager verschwinden. Das ist keine Seltenheit, oft sind private oder Schulprobleme, ein schwieriger Freundeskreis oder Familienstreitigkeiten der Grund. Ähnliches vermuteten auch Angehörige und Bekannte zunächst bei Susanna F.. Deren Mutter erhob Vorwürfe gegen die Polizei: Sie fühle sich im Stich gelassen. „Es ist das allerschlimmste Gefühl auf der Welt, was einer Mutter passieren kann, nicht zu wissen, wo ihr Kind ist und ob es ihm gut geht.“ Erst auf Drängen ihrer Rechtsanwältin seien eine Handy-Ortung und eine öffentliche Fahndung veranlasst worden, kritisiert die Mutter in ihrem Post.