Wenn Frauen zu Freiwild werden
MAINZ - Eine Million Männer gehen in Deutschland pro Tag zu Prostituierten – heißt es, denn belegt ist diese erschreckende Zahl nicht. Doch selbst wenn es real nur ein Zehntel davon ist – ein Großteil dieser sexuellen Dienstleistungen gegen Geld geht mit Leid einher. Leid aufseiten der Frauen.
Professor Gerhard Trabert nennt diese Zahl, eine Million am Tag, um auf dieses Leid aufmerksam zu machen. Sein Verein Armut & Gesundheit in Deutschland ist mit dabei, wenn Solwodi e.V. im April 2019 in Mainz den dritten Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen ausrichtet.
Solwodi, das stammt aus dem Englischen und steht für „Solidarität für Frauen in Not“. In den 18 Beratungsstellen und neun Schutzwohnungen des Vereins haben voriges Jahr 2500 Frauen um Hilfe gebeten, wie die Gründerin und Vorsitzende, Schwester Lea Ackermann, berichtet. Sie verweist auf das Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Prostitution verstoße gegen diesen Grundsatz. Die vielen verheirateten Freier würden Krankheiten mit in ihre Familien tragen, Frauen würden zu Freiwild. „Der Skandal“ ist in ihren Augen, dass die Prostitution in Deutschland sogar gesetzlich gefördert werde.
Auch Trabert äußert vehemente Kritik vor allem an SPD und Grünen für das 2002 erlassene Prostitutionsgesetz, das die „Sexarbeit“ als normale Arbeit bewerte und sogar staatliche Förderung ermögliche. „Das hat nichts mehr mit freier Sexualität zu tun“, betont Trabert. Studien zufolge spiele bei 90 Prozent der „Sexarbeiterinnen“ Armutsprostitution eine Rolle: „Die Hauptursache für Prostitution ist Armut, und das wird in der Gesellschaft tabuisiert und verdrängt.“ Auch lägen häufig Gewalterfahrungen in der Biografie vor. Das vermittelte Bild der selbstbestimmten Prostituierten sei keinesfalls repräsentativ, die medizinisch-ärztliche Versorgung der Frauen häufig katastrophal.
Auch CAP International ist Mitveranstalter des Kongresses. Das Netzwerk aus zwei Dutzend Nichtregierungsorganisationen will vor allem direkte Hilfe für die Betroffenen leisten. Deshalb macht man sich für das „Nordische Modell“ stark: Vorbild ist Schweden, wo die Prostitution seit 1998 nicht mehr legal ist. Der Markt sei seither deutlich geschrumpft.
Island, Norwegen, Kanada, Nordirland, Frankreich und Irland zogen mit Gesetzen nach, die Prostitution als sexuelle Gewalt auslegen. Sexkauf ist strafbar, die Frauen allerdings bleiben straffrei und werden beim Ausstieg begleitet – diese Regelung wünschen sich die Vereine auch in Deutschland. Der Kongress vom 2. bis 4. April 2019 an der Johannes-Gutenberg-Universität, zu dem Teilnehmer aus 30 Ländern erwartet werden, soll Aufmerksamkeit auf das Leid der Prostituierten lenken. Für die Finanzierung des Kongresses bitten die ausrichtenden Vereine um Spenden. Infos unter www.solwodi.de und www.armut-gesundheit.de.