Verleihung des Mainzer Kunstpreises 2017 / Wettbewerbsmotto lautet „Die Gedanken sind frei“ / Über 350 Einreichungen
Von Marianne Hoffmann
Ingrid Sonntag-Ramirez Ponce mit Frauenporträt, Thomas Bühler mit dem Siegerbild „Trojanische Freiheit“ Foto: hbz/Kristina Schäfer
( Foto: hbz/Kristina Schäfer)
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MAINZ - Ein Mann zieht in die Schlacht gegen mehr als 350 Gegner, und keiner weiß, wie die Schlacht ausgeht. Obwohl der Mann alles an moderner Technik zu Felde führt, ist es letztlich nur eine einzige Waffe, die ihm den Sieg beschert: der Zeichenstift.
Der Mann, der in die Schlacht gezogen ist, heißt Thomas Bühler, ist Jahrgang 1957, lebt und arbeitet in Berlin-Friedrichshain und hat an der Ausschreibung zum 27. Mainzer Kunstpreis, dem Hans-Jürgen-Imiela-Gedächtnispreis, teilgenommen. Und gewonnen. Seine großformatige „Trojanische Freiheit“ hängt an prominenter Stelle inmitten des zweiten und dritten Platzes in der Mainzer MVB am Neubrunnenplatz, umringt von 25 weiteren Zeichnungen mit Bleistift, Buntstift, Fineliner, Graphitstift oder gar in Air-brush-Technik.
28 Arbeiten mit dem Schwerpunkt Zeichnung
Diese 25 plus die drei Siegerbilder sind von den weit über 350 Einreichungen übrig geblieben. „Wir haben in diesem Jahr die Zeichnung in den Vordergrund gestellt“, sagt die Professorin Valy Wahl, die auch Jurymitglied ist, „da die Zeichnung heute kaum noch gelehrt wird.“
GEDÄCHTNISPREIS
Der Hans-Jürgen-Imiela-Gedächtnispreis ist nach dem verstorbenen Kunsthistoriker der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität benannt, der alle zwei Jahre vergeben wird.
Ausgelobt wird er vom Kunstverein Eisenturm, der auch immer ein Thema und die Technik vorgibt. Vergeben werden drei Plätze, die mit 5000 Euro für den ersten, 3000 Euro für den zweiten und 2000 Euro für den dritten Preis dotiert sind.
Die MVB Mainz ist Sponsor der Veranstaltung und stellt auch den Ausstellungsort, die MVB am Neubrunnenplatz.
Thomas Bühler und seine Schlacht sind ein höchst repräsentables Beispiel dafür, was ein Stift alles kann. Nicole Nieraad-Schalke spricht in ihrer Einführungsrede von „einer Arbeit, die dem phantastischen Realismus zugeordnet werden kann, die eine „Kriegsparade zeigt, in deren Mittelpunkt ein technisiertes trojanisches Pferd steht.“ In diesem Werk kann man sich verlieren, würde man nicht abgelenkt durch „Eva – die Erkenntnis“, das Werk der Zweitplatzierten, Ingrid Sonntag-Ramirez Ponce, genannt INK. Ein Apfel, eine Frau mit nackten Schultern, über die sie kokett guckt, die eine Hand sinnlich im Haar vergraben. Verführung pur in Bleistift und Acryl, denn in leuchtendem Rot verführt das Obst.
Aus Hamburg kommt Thorsten Böhm, der den Titel des Wettbewerbs „Die Gedanken sind frei“ schmerzvoll in Fineliner, airbrush und Graphitstift zum dritten Platz führt: Er setzt einem Frauenportrait einen festgezurrten Stacheldrahtkranz auf das Haupt. Kann das Symbol für Unterdrückung, Unfreiheit und christliches Leid die Gedanken wirklich unfrei werden lassen?
Albrecht Fersch zeichnet ein Piktogramm mit Papierkorb und Mensch auf ein kleines Format, lässt es zum Schild werden, in dem der Piktomensch ein „GE“ in den Müll wirft. Darunter steht „Danke“. Schlichte und eindringliche Symbolik. Atmosphärisch und farbig dicht, damit fallen in dieser vorwiegend schwarz-weiß-grau Ausstellung die Arbeiten von Stefanie Sobeck und Karin Böpple auf. Karin Böpple visualisiert auf schwarzem Papier mit Buntstiften den Traum von Freiheit, und Stefanie Sobeck lässt den Betrachter die Gedanken eines männlichen Liebesgedichtlesers vom Publikum interpretieren. Warum leuchtet das Buch von innen heraus? Petra Weifenbach hat „Die Gedanken sind frei“ durch die Google-Suche gejagt und 35 Strichzeichnungsergebnisse auf Papier festgehalten. Wir können sie nicht lesen, aber die Gedanken sind frei, nachzudenken.