Verbesserte Bedingungen für das Sportprojekt am Kinderonkologischen Zentrum der Unimedizin bieten mehr Platz für Bewegung und innovative Sportgeräte. Dazu ein Interview.
Von Michael Heinze
Mit Leidenschaft bei der Sache: Sandra Stössel (re.) mit einer Sportgruppe.
(Foto: Thomas Böhm)
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MAINZ - Verbesserte Bedingungen für das Sportprojekt am Kinderonkologischen Zentrum der Unimedizin bieten mehr Platz für Bewegung und innovative Sportgeräte. Hoffnungsvolle Hinweise auf einen positiven Einfluss der Sporttherapie für die krebskranken Kinder liegen bereits vor. Die AZ sprach mit Sportwissenschaftlerin und Projektleiterin Dr. Sandra Stössel (34) über die Therapie, die im Rahmen der Aktion „Leser helfen“ durch die Kinderzeitung Kruschel gefördert wird.
Frau Stössel, welche Vorteile bringen die verbesserten Bedingungen mit sich?
Sandra Stössel: Wir haben mehr Platz zur Verfügung und können diesen für eine Vielzahl an neuen Sportgeräten nutzen. Ob Sportfreak oder Bewegungsmuffel – hier ist für jeden etwas dabei. Ein an die virtuelle Welt angeschlossenes Spinning Bike ermöglicht es den Kindern sogar, aus der Klinik heraus virtuelle Berge zu erklimmen oder die Wochenend-Radtour der Geschwister virtuell nachzufahren.
An fünf Tagen pro Woche gibt es ein Sportprogramm, das exakt auf das jeweilige Kind und die Erkrankung zugeschnitten ist?
Mit meiner Kollegin Dr. med. Marie-Astrid Neu und meinem Kollegen Elias Dreismickenbecker bieten wir Sportspiele, Kräftigungs- und Ausdauertraining sowie Übungen zur Verbesserung der Gelenkigkeit an. All das hilft, Energie zu tanken, Kräfte zu sammeln – und für einen kurzen Moment auf andere Gedanken zu kommen. Es erfolgt eine regelmäßige Sportuntersuchung, um Leistungsstand, Motorik und Entwicklung zu dokumentieren und die Therapie entsprechend anzupassen. Die Ergebnisse werden dokumentiert und wissenschaftlich ausgewertet.
HINTERGRUND
Die gebürtige Mainzerin Dr. Sandra Stössel zog es nach dem Abitur 2005 am Maria-Ward-Gymnasium für sieben Jahre nach Frankreich (Nantes) und in die USA (Georgia und Arkansas) für Studium und Leistungsrudern.
Die 34-Jährige, die heute in der Altstadt wohnt, kommt vom Mainzer Ruder-Verein, wo sie einst an den Leistungssport herangeführt wurde und zurzeit als Jugend-Trainerin tätig ist.
Zu ihrer Glanzzeit schnappte sie sich mit dem Leichtgewichts-Doppelvierer zweimal Gold bei der Jugend-DM sowie je einmal bei U23-DM und bei der Frauen-DM.
Die promovierte Sportwissenschaftlerin bringt sich zudem ehrenamtlich beim Landessportbund Rheinland-Pfalz ein – als Mitglied im Arbeitskreis Internationales sowie im Internationalen Jugendteam um den Franzosen Daniel Mouret.
Wie alt sind die Kinder, die von der Sporttherapie profitieren – und wie viele Jungen und Mädchen mit welchen Befunden?
Die Kinder sind 6 Monate bis 18 Jahre alt und werden wegen einer Krebserkrankung am Kinderonkologischen Zentrum behandelt; die meisten leiden an akuter Leukämie, Hirntumoren oder aber malignen Lymphomen. Im Schnitt sind es 5 bis 10 Kindern.
Wird das Sportprogramm ganztägig angeboten?
Sporteinheiten werden durchgehend von morgens bis abends durchgeführt. Künftig möchten wir das Angebot weiter ausbauen, um jedem Kind eine umfangreiche Teilnahme zu ermöglichen.
Wie ist die Finanzierung?
Die Ausstattung mit zahlreichen Sportgeräten, die ein abwechslungsreiches und individuelles Training ermöglichen, wurde über Spendengelder durch die Kinderkrebshilfe Mainz e.V. (KKH) finanziert, die das Sportprojekt mit einem mittleren sechsstelligen Jahresbetrag unterstützt. Die Sporttherapie ist noch nicht flächendeckend Teil der Regelversorgung der Krankenkassen, Verhandlungen hierzu laufen. Daher erfolgt eine Brückenfinanzierung durch Spendengelder, in diesem Fall durch die KKH. Eine solche Anschubfinanzierung leistet die KKH für verschiedene Projekte mit dem Ziel, diese in eine Regelfinanzierung zu überführen, bzw. wie im Fall von Wissenschaftsprojekten eine Einwerbung von öffentlichen Mitteln zu ermöglichen.
Worauf liegt der Fokus?
Auf der Nachhaltigkeit der Projekte, die mit Hilfe der Spendengelder in eine Regelversorgung überführt werden.
Die Unimedizin gehört seit 2011 zu den weltweit ersten Kliniken, die ein Sportprogramm für kinderonkologische Patientinnen und Patienten anbieten. Wie hat sich die Sporttherapie seit dieser Zeit entwickelt?
Rasant. Inzwischen bieten 25 deutsche Kliniken ein solches Programm an – allerdings nur wenige mit einem so breit gefächerten Angebot wie wir in Mainz.
Was erhoffen Sie sich von den begleitenden wissenschaftlichen Studien?
Unser Ziel ist es, den positiven Effekt der Sporttherapie auf Begleiterscheinungen der Krebstherapie wie Müdigkeit, Kraftverlust und Erschöpfung zu belegen und dazu beizutragen, die Sporttherapie flächendeckend zu implementieren – damit alle erkrankten Kinder davon profitieren können.