„Treffpunkt Klassik“, neue Reihe der Musikhochschule, kontrastiert die „Jahreszeiten“ von Vivaldi und Piazzolla
Von Fred Balz
Frühling, Sommer, Herbst und Winter: Das Streichensemble „Mainzer Virtuosi“ schuf etwas ganz Eigenes und Bizarres durch die direkte Gegenüberstellung der „Jahreszeiten“-Kompositionen von Vivaldi und Piazzolla. Foto: hbz/Stefan Sämmer
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MAINZ - Nach dem Erfolg der Reihe „Treffpunkt Jazz“ wagt es die Mainzer Musikhochschule, nun auch klassische Musik auf das Konzertpodium des Frankfurter Hofs zu stellen. Die erste Veranstaltung mit dem Streicherensemble „Mainzer Virtuosi“ lässt zwei höchst unterschiedliche Werke zum Thema Jahreszeiten aufeinanderprallen, die immerhin 250 Jahre auseinanderliegen: „Le Quattro Stagioni“, den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi aus dem Jahr 1720 wird Astor Piazzollas Tango-Suite „Las Cuatro Estaciones Porteñas“ („Vier Jahreszeiten in Buenos Aires“) in der Bearbeitung für Solovioline und Orchester von Leonid Desyatnikov gegenübergestellt. Eine Besonderheit dieser Aufführung ist, dass Komponisten verschiedener Epochen, Temperamente, Musikstile und Nationalitäten in einem Crossover-Konzert aufeinander losgelassen werden.
Spannung und zahlreiche Überraschungseffekte
Der direkte Vergleich der jeweiligen Jahreszeit der größten Komponisten Italiens und Argentiniens sorgt beim Publikum für Amüsement und Spannung wie auch für zahlreiche Überraschungseffekte. So wechselt beispielsweise der/die Geigensolistin nach jeder Jahreszeit. Während der Barockkomponist Vivaldi den Naturphänomenen und Wetterkapriolen seiner ländlichen Heimat nachspürt, erforscht Piazzolla das heiße Klima der von Strand und Nachtleben geprägten Millionenstadt Buenos Aires. Was die Komponisten letztendlich verbindet, sind Sinnlichkeit und Strahlkraft und ein volksmusikalischer Grundton in ihrer Programmmusik.
Die Mainzer Virtuosi wurden 2007 von der Geigendozentin Anne Shih als studentisches Streicherensemble gegründet. Doch auch wenn die Fluktuation groß ist, muss sich das junge, international besetzte Ensemble nicht verstecken. Das 13-köpfige Ensemble spielt mit acht Geiger(innen), je zwei Bratschen und Celli und ihrem über 70-jährigen, speziell aus Wien angereisten Mentor Hans Kunstovny am Kontrabass.
Feurige Tangos, schwüle Mitternachtsserenaden
Der gibt denn auch mit einem Perkussionsfeuerwerk auf dem Basskorpus den Takt für die feurigen Tangos und schwülen Mitternachtsserenaden Piazzollas vor. Gegenüber der feierlichen Eröffnung Vivaldis wirkt Piazzollas Frühling wie ein unterkühltes, von Samba und Bossa Nova geprägtes Jazzkonzert. Dem wilden Knospen und Blühen und dem zünftigen Tanzreigen Vivaldis setzt Piazzolla eine laue Abendserenade bei Pina Colada und lasziven Tänzen gegenüber. Beide Komponisten nutzen Geigen-Glissandi und Klangeffekte sowie ineinander verflochtene Kanon- und Fugenelemente, um ganz unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen. Meint man bei Vivaldi Vögel, Sturm, Gewitter und Hundegebell zu hören, so sind es bei Piazzolla neben dem geschäftigen Großstadttreiben die Wellen am Meer oder die Grillen und Fliegen in der Abendsonne.
Selten wurden Tradition und Moderne so unmittelbar und sich gegenseitig bereichernd gegenübergestellt. Das Publikum ist begeistert von der Sinnlichkeit und Dynamik, die beide Kompositionen dank eines exzellenten Ensembles ohne Dirigenten entfalten.