Trauern in einer Pandemie – Mainzer Verein TrauerWege hilft
Strenge Besuchsregeln in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen verhindern, dass Angehörige und Freunde Sterbende nach Wunsch begleiten können. Petra Theumer hilft, das auszuhalten.
Von Anna Grauer
Sterben unter Corona-Bedingungen: Petra Theumer hilft mit ihrem Verein „TrauerWege“ den Trauernden, unter oftmals sehr erschwerten Umständen wieder in einen normalen Alltag zurückzufinden.
(Foto: hbz/Stefan Sämmer)
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MAINZ - Allein in Rheinland-Pfalz sind seit Beginn der Pandemie mehr als 4000 Menschen an einer Covid19-Infektion gestorben. Was bleibt, sind tausende Ehepartner, Kinder, Eltern und Freunde, die die Trauer um den geliebten Verstorbenen bewältigen müssen. Ein Weg, aus dem tiefen Schmerz wieder herauszukommen, ist durch die Unterstützung des Mainzer Vereins „TrauerWege“.
„Es braucht mehr als nur Beratung“, sagt Petra Theumer, Leiterin des Vereins. In ihren 21 Jahren als Trauerbegleiterin hat sie bereits vielen Menschen wieder zurück in den Alltag geholfen. Sei es bei der Trauer über eine Scheidung, den Verlust eines ungeborenen Kindes oder den Tod eines nahestehenden Menschen. Theumer ist eine starke, mutige und behutsame Frau, die, wie sie selbst sagt, „gut was aushalten“ kann. Hauptberuflich arbeitet sie auf einer Intensivstation, erlebt hautnah mit, wie Krankenhäuser während der Pandemie immer wieder an ihr Limit kommen und das Personal extrem gefordert wird. Und wie Angehörige von Corona-Patienten während der harten Lockdown-Beschränkungen nur sehr kurz zu Besuch kommen dürfen. „Die Angehörigen von Corona-Toten sind stark traumatisiert. Eine Trauernde hat mir berichtet, dass sie ,wenigstens zum Sterben für eine Stunde’ ins Krankenhaus kommen durfte.“ Diese Situation empfindet Theumer als tragisch. „Es hat mich tief erschüttert, welches Ausmaß die Trauer vieler Angehöriger annimmt. Grund dafür ist vor allem, dass sie den Verstorbenen vor dem Tod nicht beistehen konnten, sie nicht trösten oder die Hand halten konnten.“
Auch das Abschiednehmen kommt zwischen strengen Besuchsregeln und oftmals geringer Überlebenszeit bei einem schweren Verlauf nach einer Infektion zu kurz. So auch die Bestattung, die während der Lockdowns nur in sehr kleinem Rahmen stattfinden durfte und somit teilweise Familienmitglieder und enge Freunde ausschließen musste. „Dadurch fehlen die Gemeinschaft und der Zusammenhalt nach dem Tod eines Menschen – das gemeinsame Kaffeetrinken, das Erzählen des einen oder anderen Schwanks aus dem Leben, um die verstorbene Person zu würdigen“, sagt Theumer. „Das ist, als ob jemand morgens aus dem Haus geht und die Urne abends zurückkommt.“
Für Einzelbegleitung und geschlossene Gesprächsgruppen bitte telefonisch nachfragen.
Um die Angehörigen zu unterstützen, versucht Theumer in ihrer Arbeit als Trauerbegleiterin auf eine ruhige und empathische Art und Weise mit den Trauernden ins Gespräch zu kommen. Sie als Ganzes zu betrachten, ohne zu bewerten. „Es ist wichtig, die Menschen normal zu behandeln, ohne Mitleid. Denn sie sind immer noch sie selbst, befinden sich nur in einer speziellen Situation,“ sagt Theumer.
Grundsätzlich gebe es keinen Trauerfall, dem sich Theumer und ihr Team nicht annehmen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Betroffenen freiwillig dort sind und nicht dazu gedrängt werden. „Einmal kam eine Frau zu mir, die bereits ihren zweiten Ehemann verloren hatte. Doch während unseres Gesprächs sah sie nur die Bücherwand an, anstatt mich. Ich fragte sie, warum sie hier sei. Sie antwortete mir: ,Der Pfarrer meinte bei der Beerdigung, dass ich es nicht alleine schaffen kann.’ Ich fragte sie, was denn dagegenspreche, dass sie es nicht nochmal schaffen könnte. In diesem Moment drehte sie sich um und schaute mir zum ersten Mal in die Augen“, erzählt Theumer. „Die Menschen müssen den Weg so oder so alleine gehen. Wir begleiten sie aber gerne dabei, wenn sie das möchten.“
Im Schnitt trauern Menschen zwischen drei und fünf Jahren und gehen sehr unterschiedlich mit dem Verlust um. Daher führt Theumer viele Einzelgespräche, versucht Impulse zu geben und mithilfe der neuesten fachlichen Erkenntnisse bestmöglich die Trauernden dabei zu begleiten, wieder in einen normalen Alltag zurückzufinden. Daneben gebe es auch Gruppenaktivitäten, bei denen es beispielsweise um Meditation, Körperwahrnehmung, Malen, Texten geht. „Man darf es sich nicht zu traurig vorstellen, wir lachen auch viel“, sagt Theumer.
Und trotz der vielen Schicksalsschläge erfülle sie ihr Job mit großer Dankbarkeit und Freude. Insbesondere dann, wenn die Gesichtszüge nach Monaten oder Jahren der Trauer wieder weicher werden und man sehe, wie das Leben wieder in die Menschenseelen der Angehörigen zurückkehre.