Von der App bis zur Wegegestaltung: Verkehrsdezernat und Bürger erarbeiten beim „Radkonsens“ Ideen für eine radfreundlichere, ökologische Stadt. 90 Interessierte nahmen teil.
Von Ida Schelenz
Andere Länder sind mitunter viel weiter als Deutschland, etwa in den Niederlanden: In Amsterdam gehören zum modernen Park-Leit-System für Radfahrer getrennte Radwege und digitale Anzeigen über freie Plätze in Parkgaragen.
(Archivfoto: dpa)
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MAINZ - Nachdem das Umwelt- und Verkehrsdezernat beim ersten Termin der „Radkonsens“-Bürgerbeteiligung im Herbst wortwörtlich von Teilnehmern überrollt worden war, hatte es bei der zweiten Auflage am Mittwochabend vorgesorgt und den Erbacher Hof für 200 Leute eingedeckt. Rund 90 kamen.
Ziel der Veranstaltung war nach wie vor, Themenschwerpunkte herauszuarbeiten, die der radelnden Mainzer Bevölkerung besonders wichtig sind und in den sogenannten „Bypad“, kurz für Bicycle Policy Audit, einfließen sollen. Dabei handelt es sich um eine Liste von radverkehrlichen Forderungen, deren Umsetzung sich die Stadt per Stadtratsbeschluss verschreibt. Man wolle „trotz Dieselfahrverbot nicht aufhören, an der Verkehrswende zu arbeiten“, betonte Verkehrsdezernentin Katrin Eder zu Beginn.
Bürger erarbeiten Ideen in Kleingruppen und gewichten
In Kleingruppen widmeten sich die Bürger dann der Ausarbeitung sechs verschiedener Kategorien, die beim letzten Radkonsens beschlossen wurden. Im Anschluss wurden die neuen Ideen gebündelt und von den Teilnehmern gewichtet. Besonders zum Punkt „Verkehrsinfrastruktur“ wurde zuweilen hitzig diskutiert: Eine Vergrößerung der Schutzstreifen forderten einige; „Fahrräder, Pedelecs und E-Scooter fahren unterschiedlich schnell, man muss einander überholen können“, sagte ein Teilnehmer.
Andere gingen einen Schritt weiter und wünschten baulich getrennte Radwege, ähnlich wie in Dänemark oder den Niederlanden, für die im Innenstadtbereich auch gerne Autospuren geopfert werden können.
Wenngleich sich Radfahrbeauftragte Franziska Voigt wenig optimistisch ob der Umsetzung abgetrennter Radwege zeigte, erhielt der Vorschlag bei der abschließenden Abstimmung die meisten Stimmen.
Ein Konsens des Abends lautete, nicht das Recht des Stärkeren walten zu lassen, sondern sich an den schwächsten Verkehrsteilnehmern zu orientieren. Die Wahrnehmung sei sehr unterschiedlich, je nachdem welcher Gruppe man gerade angehöre, bemerkte ein Anwesender. Das A und O sei, sich gegenseitig zu respektieren und an die Regeln zu halten.
Beim Stichpunkt „Verknüpfung zu anderen Verkehrsmitteln“ stand das Digitale im Vordergrund. Eine Erweiterung der MVG-Rad-App um Lastenräder, eine App für multimodale Reiseoptionen, die also auch Radrouten anzeigt, und mehr ausgewiesene Abstellanlagen wurden gefordert.
Vorrang für eine umweltfreundliche Mobilität
Auch dem Thema Politik widmete sich eine eigene Kleingruppe, die insbesondere forderte, umweltfreundlichen Verkehrsmitteln vor dem motorisierten Individualverkehr (MIV) Vorrang einzuräumen und bei Neuplanungen den Radverkehr strikt zu berücksichtigen.
Zahlreiche Stimmen erhielt außerdem der Stichpunkt „Technik für den Radverkehr“, wozu etwa eigene Fahrradampeln und Induktionsschleifen zählen, die Wartezeiten verringern sollen. Ebenfalls viel Zuspruch gab es für die Anregung, mehr Verkehrskontrollen bei falschparkenden Autos und Baustellen durchzuführen, die Radwege blockieren.
Man wolle intuitiv wissen, wo man entlangfahren kann, fasst Eder zusammen, und erwarte von der Politik „mehr Mut, anderen auch etwas wegzunehmen“ – dafür gab es Applaus. Die erarbeiteten Punkte werde man an das zuständige Büro weiterleiten, das noch per Ausschreibung ausgewählt werden muss. Im Sommer werde es eine weitere Bürgerinformation zum Thema geben, sodass die Arbeit am Bypad-Audit nach der Sommerpause beginnen kann. „Das heißt nicht, dass während des Verfahrens nichts mehr umgesetzt wird“, wirft Eder ein. Als Vorbilder für das Verfahren dienten unter anderem Karlsruhe und Mannheim, wo bereits Bypad-Verfahren mit jeweils 20 und 21 Punkten durchgeführt wurden. Ein Jahr hat die Umsetzung in Karlsruhe gedauert, was wohl zumindest als grobe Orientierung für Mainz dienen dürfte.