MAINZ - Der Mann mit dem amerikanischen Lederhut, Ryan Skylar Gibbons, ist in Mainz kein Unbekannter mehr – zumindest in der hippen Musikszene der Mainzer Szenelokale, wo der Mann mit dem Banjo und der eindringlichen Stimme schon zahlreiche Fans gewonnen hat.
Künstler verbringt in Mainz Austauschsemester
Das versucht er jetzt mit dem Rest der Mainzer Bevölkerung und den zahlreichen Touristen, die Tag für Tag über den Jockel Fuchs-Platz Richtung Rhein schlendern oder vice versa Richtung Stadt, indem er dem verwaisten Sockel vor dem Rathaus einen neuen Inhalt aufsetzt. Ryan Skylar Gibbons ist im Rahmen eines Austauschprogramms der Kunsthochschule in Mainz mit der California State University zu einem Austauschsemester hier.
„Endless Drill” ist das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses und eingehender Diskussionen mit seinem Lehrer Prof. Martin Schwenk. Das bevorzugte Arbeitsmaterial von Ryan Skylar Gibbons sind Ölfässer. Schon in Amerika hat er aus Ölfässern den „Akt eine Treppe hinabsteigend Nr. 2”, das Gemälde von Marcell Duchamp, nachgestaltet. Dass man Ölfässer in allen Größen und Ausführungen schnell und unbürokratisch im Internet erwerben kann, war auch Professor Schwenk neu. Mit seinen frischen Ölfässern hat Gibbons die Form der „Endless Column” von 1918 von Constantin Brancusi aufgenommen und sich dabei wieder an ein großes künstlerisches Vorbild herangewagt. Um die kantige Form der Säule hinzubekommen, wurden die Ölfässer aufgesägt, jede Hälfte in Form gebracht, wieder zusammengesetzt und mit Bitumen verklebt.
DATEN & FAKTEN
„#10 Endless Drill”, Sockelalarm von Ryan Skylar Gibbons, zu sehen bis zum 7. Mai, Rathaus, Jockel-Fuchs-Platz 1, Mainz
Absicht dieser Materialität ist es, ein temporäres Denkmal für die Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft der Weltenergieversorgung zu setzen. Öl ist eine hochgeschätzte und gleichzeitig sehr unsichere, weil begrenzte Ressource, die also irgendwann versiegen wird.
Licht aus der Fahrradlampe
Hinzu kommt, dass es ein Stoff ist, der aus der Erde kommt, in Richtung Himmel verbrennen kann und seinen Weg durch Fässer, Tanks, Rohre und Kolben im Verborgenen findet. Das Verarbeiten, Zuschneiden und Anpassen der Ölfässer an eine gewollte Form entmystifiziert das Thema Öl. Damit aber nicht genug – die an Brancusi angelehnte Säule wird flankiert von vier blauen Ölfässern. Sie fassen die Säule ein, sind Ruhepunkte, und ein vor dem Sockel stehendes blaues Fahrrad bietet die Möglichkeit, durch Treten der Pedale in der Nacht zwecks Erzeugung von Fahrradlicht am Lenker, die Skulptur anzuleuchten. Da wird gekaufte Energie durch Menschenkraft ersetzt und gezeigt, worauf man sich immer verlassen kann.
„Die Sockelfrage muss geklärt werden!”, die Frage, die Bildhauergenerationen seit jeher beschäftigt, wird seit drei Jahren von Studenten der Mainzer Kunsthochschule geklärt. Marianne Grosse, Kulturdezernentin der Stadt Mainz, ist aufgefallen, dass das Bild der Mainzer Studenten so vielfarbbunt ist wie die Farben der Mainzer Fassenacht, denn „Mainz ist eine bunte Stadt, geprägt von unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten, die das Zusammenleben in der Stadt bereichern”. Im Falle von Ryan Skylar Gibbons mit „#10 Endless Drill” stimmt das gleich doppelt: musikalisch und künstlerisch-umweltkritisch.