MAINZ - Auf den ersten Blick wirkt das Gesicht verzerrt. In Teilen scheinen mehrere halbtransparente Bildschichten übereinander zu liegen. Erst dann erkennt man, dass unzählige Tesafilmstreifen kreuz und quer fest um den Kopf gezogen sind. Sie ziehen die Haare quer über das Gesicht, verbiegen die Nase, schneiden in die Wangen ein, spiegeln das Licht. Die so Deformierte ist die Künstlerin selbst. Sandra Junker blickt in schwarz-weiß in die Kamera. Keine Frau der halben Sachen. „In dem Projekt ging es darum, zu erkunden, was Schönheit bedeutet, was Deformation“, erklärt die 28-Jährige. Es war ihr Diplom-Projekt an der Uni. Und ist für sie noch nicht abgeschlossen. „Für mich ist jedes Ergebnis eher ein Anfang als ein Abschluss“, erklärt sie.
Kulinarisches Seelenleben in Fotografien
Auf Junkers Homepage finden sich sehr unterschiedliche Bilder. So auch die aus einem ihrer aktuellen Projekte. Auch so ein langjähriger Begleiter. Noch während des Studiums an der Technischen Hochschule in Darmstadt fing die Kommunikationsdesignerin an, Kühlschränke mit ihren Inhalten und die dazugehörigen Besitzer abzulichten. Titel: „Show me your fridge“, zeig mir deinen Kühlschrank. Das Studium ist abgeschlossen, das Projekt noch lange nicht. Menschen aus London, Istanbul und Pretoria haben ihre Kühlschränke für Junker geöffnet, genauso wie ihre Kommilitonen aus Darmstadt.
Die neuesten Einblicke in das kulinarische Seelenleben stammen aus Paris. Dort ist die Fotografin und Designerin aktuell für ein paar Monate wegen eines Praktikums. Acht Pariser konnte sie in dieser Zeit überreden, vor die Kamera zu treten und den Blick auf ihre Essensgewohnheiten freizugeben. Ein Vorhaben, das durchaus Überzeugungsarbeit erfordert. Auf Veranstaltungen, in Cafés, wo immer sie mit Leuten ins Gespräch kam, stellte sie ab und zu ihre Frage – und stieß oft auf Verwunderung. „Ich habe durch das Projekt gemerkt, dass der Kühlschrank für viele Leute sehr intim ist“, erzählt sie. „Man gibt dadurch viel preis. Es sagt viel aus über einen selbst, was man im Kühlschrank hat.“ Es sei sehr interessant zu sehen, worauf Menschen Wert legten, wie die Generationen sortierten, was für Produkte sie kaufen. „In London beispielsweise kann man eine gewisse Schnelllebigkeit sehen.“ Viel Plastik und viel Abgepacktes fänden sich dort in den Fächern.
Geschichten erzählt sie zu ihren Bildern nicht. Die Bilder sind selbst die Geschichten, sollen für sich sprechen. Und das tun sie automatisch. Instinktiv versucht man, die abgebildeten Personen mit dem Kühlschrank abzugleichen, analysiert den individuellen Stil, sucht die Klischees und Überraschungen. Jenseits des Digitalen waren die Bilder bisher noch nicht zu sehen – was aber nicht so bleiben soll. „Mich haben immer wieder Leute gefragt, ob ich die Bilder auch irgendwo ausstelle.“ Irgendwann wird es vielleicht mal so weit sein – aber so eine Ausstellung sei nicht so einfach zu stemmen. Und nicht so günstig.
Produktfotos und Firmendarstellungen
Die Kühlschränke sind allerdings nur eins von vielen Projekten. Hauptsächlich ist Junker in der Konzeptentwicklung aktiv, macht Produktfotos und Firmendarstellungen. Oder entwickelt eine Maschine, die Wortneukompositionen ausspuckt wie Buchhelm, Kerzenbrille oder Toilettenstreuer – und setzt diese anschließend optisch um. Nach ihrer Zeit in Paris wird Junker wieder nach Mainz in die Altstadt zurückkehren. Für wie lange, ist noch nicht klar. „Ich versuche gerade, mit Freunden aus Barcelona und New York Projekte zu entwickeln“, erklärt sie. Eventuell gehe sie dann dorthin, um sie zu realisieren. Und wahrscheinlich auch, um wieder ein paar Leute aufzufordern: Show me your fridge.