Montag,
10.06.2019 - 10:34
3 min
Serie von Geldbeuteldiebstählen an der Mainzer Unimedizin

Von Nicholas Matthias Steinberg
Lokalredakteur Mainz

Ein Taschendieb. Symbolfoto: dpa
MAINZ - Die Ermittler gehen davon aus, dass die Täter seit vergangenem Sommer diverse Portemonnaies gestohlen und versucht haben, mit den EC-Karten der Opfer Geld abzuheben.
Der erste bekannte Fall ereignet sich im vergangenen Jahr am 2. September gegen 16.30 Uhr. An jenem Sonntag wird einer 42-jährigen Besucherin der Geldbeutel gestohlen. Gegen 17 Uhr versuchen Unbekannte, mit ihrer EC-Karte an einem Bankautomaten am Münsterplatz Geld abzuheben. Die Strafanzeige gibt die Frau später in Wörrstadt auf.
Am Donnerstag, 21. Februar 2019, kommt es gegen 11 Uhr zu einem ähnlichen Vorfall. Am Vormittag verlässt eine 48-jährige Mitarbeiterin kurz ihr Büro und lässt ihre Handtasche über dem Stuhl hängen. Als sie zurückkehrt, ist ihr Portemonnaie verschwunden. Gegen 11.50 Uhr wird an einem Geldautomaten in der Langenbeckstraße, die unmittelbar an das Gelände der Unimedizin angrenzt, versucht, mit ihrer EC-Karte Geld abzuheben. Es bleibt erneut beim Versuch.
Dreiste Masche
Anders beim nächsten Fall: Der Diebstahl ereignet sich am Samstag, 30. März 2019, zwischen 9 und 12 Uhr. Eine 52-Jährige, die in Gebäude 901 arbeitet, bemerkt mittags, dass ihr Portemonnaie verschwunden ist. Sie geht zunächst davon aus, dass sie den Geldbeutel verloren hat, meldet den Vorfall aber dennoch der Polizei. Später am Tag erhält sie einen Anruf ihrer Bank, dass mit ihrer EC-Karte an einem Automaten in der Langenbeckstraße knapp 800 Euro abgehoben wurden. Die Frau hatte neben der EC-Karte eine Notiz mit ihrer PIN in ihrem Portemonnaie aufbewahrt. „Das beobachten wir leider immer wieder“, sagt Polizeisprecher Alexander Koch.
In Kriminalstatistik nicht erfasst
Laut Landeskriminalamt (LKA) habe sich das Phänomen in Rheinland-Pfalz (etwa 4,1 Millionen Einwohner) in den vergangenen Jahren unauffällig entwickelt. Valide Fallzahlen existierten nicht, da das Delikt in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht gesondert erfasst werde. Für einige Bundesländer gibt es LKA-Statistiken: In Hessen (rund 6,2 Millionen Einwohner) wurden 2017 1836 Diebstähle in Krankenhäusern registriert (Schaden: ca. 1,8 Millionen Euro, Aufklärungsquote: ca. 16 Prozent).
Mit einer dreisten Masche geht ein Unbekannter am Donnerstag, 18. April 2019, auf Beutejagd. Er taucht in Arbeitskleidung im Flur eines Gebäudes auf und erweckt den Anschein, Glühbirnen wechseln zu wollen. Doch er fällt auf. Als ihn eine Person anspricht, flieht der Mann. Ein 46-jähriger Mitarbeiter stellt kurz darauf fest, dass sein Geldbeutel verschwunden ist. Er lässt seine EC-Karte sofort sperren und verhindert damit Schlimmeres. Denn auch in diesem Fall wird später an einem Bankautomaten in der Langenbeckstraße versucht, Geld abzuheben. Eine unmittelbar nach der Erstmeldung eingeleitete Fahndung der Polizei bleibt ohne Erfolg.
Für die Kripo ist es durchaus denkbar, dass die vier Fälle zu einer deutlich größeren Serie gehören, die auf das Konto desselben Täters oder derselben Gruppe geht. „Wir gehen von möglicherweise zehn bis 20 Fällen aus“, berichtet ein Ermittler. Die Täter sollen sich immer wieder über einen längeren Zeitraum auf dem Areal der Unimedizin aufgehalten und Arbeitsabläufe ausgekundschaftet haben. Sie verhielten sich unauffällig, gaben sich vereinzelt gar als Teil des Systems aus, als Hausmeister etwa. Räumlich lassen sich die Tatorte nicht auf einen bestimmten Bereich auf dem Gelände eingrenzen.
Kein neues Phänomen
Ermittlungen in diesem Deliktfeld seien stets eine Herausforderung, sagt Polizeisprecher Koch. Generell würden viele Geldbeuteldiebstähle nicht gemeldet, weil Betroffene davon ausgingen, dass sie ihr Portemonnaie verloren hätten. „Oder sich zumindest nicht sicher sind.“ Häufig kommt ein Diebstahl erst dann ans Licht, wenn Täter versuchen, mit der fremden EC-Karte Geld abzuheben.
Dass Krankenhäuser im Fokus von Dieben stehen, ist kein neues Phänomen. Anonyme Atmosphäre, ein ständiges Kommen und Gehen von Patienten und Besuchern sowie viele frei zugängliche Bereiche machen die Kliniken für Kriminelle interessant. Alleine in der Universitätsmedizin und im Katholischen Klinikum Mainz (kkm) kam es im Jahr 2018 zu insgesamt 168 Diebstählen; davon 123 in der Unimedizin.
In vielen Fällen gehen die Taten auf das Konto von Wiederholungstätern, die in der Region leben und sich auf bestimmte Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Seniorenheime spezialisiert haben. Regelmäßig modifizieren sie ihre Maschen, entwickeln neue. Vor einigen Monaten wurden beispielsweise vermehrt Guthabenkarten für Festnetztelefone gestohlen. Die Guthaben ließen sich die Täter auszahlen.
In der Unimedizin mit jährlich rund 68.900 stationär behandelten Patienten und 1.500 Betten kam es zwischen Anfang 2014 und Ende 2018 zu 601 Diebstählen; zwischen 89 und 141 pro Jahr. Im kkm (30.000 Patienten pro Jahr und 624 Betten) waren es laut Polizei im selben Zeitraum 293 Diebstähle; zwischen 45 und 72 pro Jahr.
Die Unimedizin beschäftigt hauseigenes und externes Sicherheitspersonal. Zudem werden einige Bereiche videoüberwacht. Auch am kkm wird Überwachungstechnik eingesetzt. Doch eine hundertprozentige Sicherheit gibt es in öffentlichen Einrichtungen nicht. Daher setzen die Kliniken in erster Linie auf Prävention, warnen in Gesprächen und mit Aushängen vor kriminellen Maschen und stellen Schließfächer bereit.