Die Kunstfigur „Walter Ego“ liest verdruckst kichernd aus „Ich bin ein anderer“. Foto: hbz/Kristina Schäfer
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MAINZ - Spürst du die Kritik in dir? Nein? Dann besser noch mal mit dem Schwamm drüber – der saugt alles Problematische auf und drückt es wieder aus. „Ein Schwamm ist so wenig zu fassen wie der Begriff der Männlichkeit“, sagt Mathis Ruffing. Diese ist Thema des Freitagabends beim Kunstfestival „Tell Tales“ in der Kulturei auf der Zitadelle. Mathis Ruffing und Lukas Renner präsentieren ihren „Muskulenz-Workshop“ in der Form eines Hörbuch-Trainings mitsamt sphärischer Musik und Traumreise. Eine ruhige Stimme sendet direkt ans Unterbewusstsein, wie man seinen inneren Schwamm benutzt – Selbstoptimierung, die in die Leere des Aberwitzigen führt. Das Festival „Tell Tales“ der Kunsthochschule will Abseitiges präsentieren – den zwei Berliner Künstlern geht eine performative Lesung voraus.
Auch mal aushalten, etwas nicht zu verstehen
Walter Ego trägt ein orange-schwarz kariertes Jacket zu Glitzershirt und Ringelsöckchen und liest aus seinem illustrierten Buch „Ich bin ein anderer“. Er gluckst verschmitzt über seine eigenen Witze und gibt mit seinem lispelnden Englisch zu, ein schlechter Künstler zu sein, weil er ja auch schlecht Englisch spreche. „Diese Figur zeigt die Schattenseite in mir und darf vor allem scheitern“, sagt der Wiener Künstler Peter Haselmayer. Tatsächlich ist das Lustigste an der Lesung, dass Walter Ego häufig als einziger über seine Anekdoten und Gedichte lacht und sich dabei so freut, dass er aufgeregt von einem Bein aufs andere tritt.
Er erzählt, wie er nicht warten wollte ins Kunstmuseum eingeladen zu werden und als seine Performance vom Wachpersonal unterbrochen wurde, habe er schlicht gesagt, das gehöre zu Performance. Kunst ad absurdum. Charmant-abstrus sind auch Sätze wie „I am waiting to become a waiter“ – Ich warte, um ein Wartender zu werden. Das wäre vielleicht das küchenphilosophische Anliegen von Walter Ego, jedoch bedeutet „waiter“ auch „Kellner“. Manches ist auch schlicht sinnbefreit: „When I am high, I am shy, when I drink I stink“ – „Wenn ich high bin, bin ich schüchtern, wenn ich trinke, stinke ich“ – vielleicht meint er mit „stink“ aber auch eher, anderen auf die Nerven zu gehen. In diesem Kontext persiflieren sich zerstreute Lebensweisheiten selbst wie: „Wenn ich mich zu sehr darauf konzentriere, was ich bin, vergesse ich, was ich sein könnte.“
Eine Lesung, die ihre Zuhörer so amüsiert wie verwirrt zurücklässt. „Man muss auch mal aushalten, etwas nicht zu verstehen“, sagt Haselmayer. Genau darum ginge es bei seiner Popfigur – das neoliberale Diktat des Positiven, der Kontrolle und ja, auch der männlichen Dominanz zu durchbrechen. „Es geht nicht um einen Imperativ, Walter Ego redet nur über sich“, sagt Haselmayer. „Er denkt nie in Urteilen und adressiert niemanden.“
Karikatur wissenschaftlicher Theoriesprache
Auch Ruffing und Renner wollen mit ihrem „Muskulenz-Workshop“ keine Handlungsanweisungen zur sogenannten „Kritischen Männlichkeit“ bieten. „Wir brechen das eher ironisch mit der Fremdheit der Worte“, sagt Ruffing. „Muskulenz“ und „Maskulenz“ haben sie erfunden und die von Fremdworten und Schachtelsätzen triefende Einleitung solle eine Karikatur wissenschaftlicher Theoriesprache sein. Von der Fehlerhaftigkeit männlicher, aber auch allgemeiner intellektueller Dominanz, nehmen sie sich nicht aus. „Wir stehen vor einer Gruppe Liegender und halten einen geschraubten Vortrag“, sagt Renner – auch sie spüren also die Kritik ins sich.