RGZM
Prof. Falko Daim, am 28. Februar 1953 in Wien geboren, trat sein Amt als Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 2003 an. Das 1852 gegründete RGZM forscht international zur Archäologie der Alten Welt und wendet sich durch seine Publikationen und Veranstaltungen an eine breite Öffentlichkeit. Seine Restaurierungswerkstätten genießen Weltgeltung.
MAINZ - Nach 15 Jahren an der Spitze des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) endet für den gebürtigen Österreicher Prof. Falko Daim am 31. Mai die Amtszeit als Generaldirektor. Mit einer Feier anlässlich seines 65. Geburtstags am Mittwoch, 28. Februar, 14 Uhr, im Museum für antike Schifffahrt verabschiedet das Museum seinen langjährigen Leiter in den Ruhestand.
Herr Daim, wenn Sie zurückblicken: Was waren ihre Höhepunkte in der Forschungsarbeit des Hauses?
Am wirkmächtigsten war sicherlich die Einrichtung des Byzanz-Schwerpunktes im RGZM. Wir sind im deutschen Sprachraum der zweitbedeutendste Standort für interdisziplinäre Forschung zu dieser wichtigen Epoche und werden als Partner von renommierten Einrichtungen, wie etwa der Universität Princeton geschätzt. allerdings nicht allein wegen Byzanz, sondern weil wir in der Restaurierung und Materialforschung Weltspitze sind. 2011 konnte zusammen mit zehn Professoren der Universität der Wissenschaftscampus „Byzanz zwischen Orient und Okzident“ eingerichtet werden. Für 2015 bis 2019 erhielt das Projekt eine Förderung in Höhe von 1,2 Millionen Euro von der Leibniz-Gemeinschaft. Aus dem Campus resultierte unter anderem ein Handbuch, in dem erstmals das byzantinische Reich und seine tausendjährige Kultur, die in Europa als eine Art Leitkultur galt, in einem interdisziplinären Werk beschrieben wird. Auf der österreichischen Schallaburg nahe Melk wird am 16. März die große Ausstellung „Byzanz und der Westen – 1000 vergessene Jahre“ eröffnet, zu der wir 160 000 Besucher erwarten.
Welche Ausstellungen liefen unter ihrer Regie?
Zu unserem China-Projekt habe ich 2006 in der Bundeskunsthalle Bonn die erste Großausstellung über „Kaiserliche Macht im Jenseits“ realisiert. Oder 2010 die Schau „Byzanz: Pracht und Alltag“. Alles Ausstellungen, mit denen wir versucht haben, die Ergebnisse unserer Forschungen in die Öffentlichkeit zu tragen. In Mainz haben wir 2011 im Landesmuseum mit großer Publikumsresonanz „Wege nach Byzanz“ gezeigt. Aufsehen erregte 2014 die Karolinger-Schau „Baustelle 793“ im Museum für Antike Schifffahrt auf der Grundlage eines noch laufenden Forschungsprojekts über antike und mittelalterliche Häfen in Europa. Dabei ging es speziell um ein Kanalprojekt, mit dem Karl der Große den Rhein mit der Donau verbinden wollte. 2016 gab es eine Schau mit Videoarbeiten von Sarah Mock, die einen künstlerischen Zugang zur Archäologie ermöglichte und ein überwiegend junges Publikum anlockte.
Wie hat sich die Arbeit in den Restaurierungswerkstätten durch moderne Untersuchungstechniken verändert?
Unsere Methoden in der Restaurierung und Materialanalyse werden laufend überprüft und optimiert. Was sich in meiner Amtszeit völlig verändert hat, ist die Prospektion, einerseits durch den Airborne Laserscan aus dem Flugzeug, andererseits durch Geomagnetik und Bodenradar. Kein Archäologe gräbt heute mehr ein Loch in den Boden, ohne dies vorher geophysikalisch untersucht zu haben.
Welche Bedeutung haben digitale Forschungsmethoden für die Arbeit des RGZM?
Big Data betrifft heute alle Forschungsgebiete in globalem Maßstab. Untersuchungen zur Seidenstraße oder zu den Verbindungen zwischen Ostasien und Europa sind ohne diese digitalen Daten gar nicht möglich. Geschichtsforscher können heute in Sekundenschnelle über Suchbegriffe zielgenau auf historische Texte zugreifen, für deren Lektüre man in Buchform Jahre bräuchte.
Ihre Zeit war geprägt von den Planungen für das Archäologische Zentrum, das nach mehrjähriger Verzögerung nun langsam Gestalt annimmt. Frustriert es Sie, dass Sie zur anvisierten Eröffnung 2020 nicht mehr im Amt sind?
Nein, da bin ich völlig leidenschaftslos. Ich hatte das Projekt unter glücklichen Umständen mit dem damaligen Bildungsminister Jürgen Zöllner auf den Weg gebracht und bin so verbunden mit dem RGZM, dass ich die Eröffnung auch gerne im Fernsehen verfolge. Wahrscheinlich im September 2018 werden wir Richtfest feiern. Ich sehe mit großer Freude, dass das RGZM in unmittelbarer Nähe zum Römerschiff-Museum bald paradiesische Arbeitsbedingungen vorfinden wird. Mit Räumen für die Forscher, Laboratorien, Depots, 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche auf drei Ebenen, einem Vortragssaal, Museumsshop und Bistro. Dazu der prächtige Platz, der dann hoffentlich „Platz der Archäologie“ heißen wird. Daneben konnten auch eine Reihe bereits vorgeplanter Projekte kurzfristig über das Konjunktur II-Programm umgesetzt werden. So ist es gelungen, auf Schloss Monrepos in Neuwied unsere Außenstelle für Altsteinzeit-Forschung mit fast vier Millionen Euro auszubauen und thermisch zu sanieren. Auch die Gründung des Laboratoriums für experimentelle Archäologie in Mayen, das erste seiner Art im deutschen Sprachraum, ist eine bleibende Errungenschaft.
Wie sehen ihre künftigen Pläne aus?
Was meine künftige Arbeit betrifft, halte ich es mit dem Spruch: Das Beste kommt noch. Ich will bei meinen Forschungen noch einiges erreichen. Beispielsweise eine Synthese aus den verschiedenen, am RGZM durchgeführten Reiterkriegerprojekten. Die Kriegervölker aus dem Osten, die in Europa einfielen, werden oft als „Unfälle“ der Geschichte angesehen. Aber die Hunnen, Ungarn oder Mongolen haben auch innovative Ansätze mitgebracht, haben sich auch an die neuen Rahmenbedingungen angepasst, haben dauerhafte Herrschaften errichtet. Die östlichen Reitervölker sind ein integraler Bestandteil der europäischen Geschichte. Ich werde auch weiterhin an der Universität Wien unterrichten, bin im kommenden Jahr auch in Princeton als Lehrbeauftragter. Langweilig wird’s nicht werden.
Wollen Sie wieder nach Österreich zurückkehren?
Zur Zeit nicht. Meine Frau und ich haben es hier in Rheinhessen sehr schön. Im Moment plane ich, meine große Privatbibliothek endlich zu ordnen, habe eine Reihe von Projekten vor und werde noch lange nicht die Koffer packen.
Das Interview führte Michael Jacobs.