Pressestimmen: Wie die Ablehnung des Bibelturms in verschiedenen Zeitungen kommentiert wurde
Nach der Absage an das Projekt Bibelturm sind die Kommentare keineswegs einhellig: Die Kritik reicht vom Totalversagen bis hin zur Signalwirkung des Mainzer Widerstandsgeistes.
Von Michael Bermeitinger
Lokalredakteur Mainz
Die Abstimmung ist gelaufen, die Wahllokale haben geschlossen und die Stimmzettel sind längst ausgezählt. Archivfoto: Sascha Kopp
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MAINZ - Während der gesamten Debatte um den Bibelturm hieß es immer drohend, dass Mainz zum Gespött mindestens der gesamten Republik werden würde, sollte der Turmbau zu Bibel noch vor seinem Bau einstürzen. Doch die Kommentare sind keineswegs einhellig. Wo die einen über die Mainzer als wein- und schunkelselige Provinzler spotteten oder Stadt und OB des Totalversagens zeihen, gehen andere differenzierter heran oder loben die Signalwirkung des Mainzer Widerstandsgeistes.
Ausfallend ist nur der Kommentar der Ludwigshafener „Rheinpfalz“, der sich schon mit der Überschrift „Triumph des Unwilles“ eine Entgleisung leistet. Erinnert dies doch stark an Leni Riefenstahls Nazi-Propaganda-Streifen „Triumph des Willens“. Sollte damit der in der Debatte von einem prominenten Befürworter geäußerte Zusammenhang zwischen Gegnerschaft und AfD-Nähe bedient werden?
Reparatur statt Aufbruch
Im Kommentar selbst wird das Nein als Triumph „vor allem des Misstrauens, der Mutlosigkeit, des städtischen Versagens, des sich selbst zur Bauexpertise ermächtigenden, sogenannten gesunden Menschenverstands“ bezeichnet. Nun würde das Geld in Reparatur statt Aufbruch gesteckt, während das Museum weiter vor sich hindümpele. Der Umgang mit dem Museum bleibe weiter „von einem grotesk bescheidenen Anspruch“.
Und auch der Spott über benebelte Mainzer darf nicht fehlen: „Nicht zu vergessen, dass der gemeine Mainzer weiter ungestört von relevanter zeitgenössischer Architektur sich Weck, Worscht und Woi beim Marktfrühstück hingeben darf.“ Aber dies sei offenkundig die Kernwählerschaft des „kleinmütig sich wegduckenden“ OB Ebling.
Das ist schon rüde, und auch die Rhein-Main-Ausgabe der FAZ unterstellt, dass die „ebenso falsche wie viel zu einfache Formel ’Bibelturm oder Marktfrühstück’“ ihre Wirkung nicht verfehlt habe. Wobei diese Frage so recht eigentlich in der Öffentlichkeit gar nicht gestellt wurde. Allerdings konstatiert der Autor auch, dass sich nun immer mehr Bürger dafür interessierten, wie es denn mit dem Museum weitergehen könne. Und diese Diskussion müsse in den nächsten Monaten fortgesetzt werden.
Ergebnis des Bürgerentscheids als leuchtendes Signal
Auch das Feuilleton der FAZ äußerte sich kritisch zum Bürgerentscheid. Auch vor dem Hintergrund, dass sich das Museum in einem jämmerlichen Zustand befinde. Zwar erkennt der Autor an, dass der Turm wie ein Klotz gewirkt hätte und auch die Zweifel an der Finanzierung berechtigt gewesen seien, doch ansonsten wird Versagen und Diletantismus konstatiert; garniert mit den für Artikel über die Landeshauptstadt scheinbar unverzichtbaren Gemütsbildern wie „Mainz, wie es singt und lacht“, „ewiges Geschunkel“ und „Narrhallamarsch“.
Dererlei Plattheiten enthält sich die „Welt“. Und die Hauptstadtzeitung sieht im Bürgerentscheid-Ergebnis nicht weniger als ein weithin leuchtendes Signal: „Mit der Vorherrschaft moderner Architektur ist es vorbei.“ Wobei der Kommentator bei den Befürwortern „ein Quäntchen mehr Demut“ vermisst. „Hätte man nicht erkennen sollen, dass man offenbar jedes Gespür dafür verloren hat, was der Stadt, dem Stadtbild, dem Selbstwertgefühl der Bürger zuzumuten ist?“ Etwas mehr Nachdenklichkeit, Selbstbefragung und Bereitschaft, Fehler einzugestehen wäre das Mindeste gewesen, heißt es. „Stattdessen peinliches Selbstmitleid.“
Die zeitgenössische Architektur bekommt auch ihr Fett weg. So zeigten rekonstruierte Altstädte, „dass das, was Architekten heute produzieren, nur noch in Grenzfällen imponiert. Sie sind ein Notstandssyndrom, weil sich immer weniger Menschen weismachen lassen, dass das, was ihnen da vor die Nase gesetzt wird, wirklich zeitgemäß ist.“
Heute würden manche Architekten immer noch meinen, mit immer abseitigeren Kreationen eine vermeintlich träge, verstockte Bevölkerung verstören und aufschrecken zu müssen, um überhaupt noch Beachtung zu finden. Aus diesem Geist sei das Projekt Bibelturm erwachsen – und diesem Geist hätten nun die Mainzer eine klare Abfuhr erteilt. „Denn gerade die Mainzer sind schon mehrfach die hilflosen Opfer ... geworden. Der graue vergitterte Klotz des Rathauses und der verschandelte Moller-Bau des Theaters zeugen davon. Nun aber ist Schluss.“