Für die Mainzer Pflegerinnen Silvia Krimm und Andrea Reichert-Henkes zählt vor allem die ganzheitliche Pflege. Sie sagen selbst: „Wir lachen mit den Patienten auch an ihrem letzten Tag.“
Von Paul Birkner
Die Pflegerinnen Silvia Krimm (links) und Andrea Reichert-Henkes erleben in ihrem Beruf nicht nur traurige, sondern auch viele fröhliche Momente.
(Foto: hbz/Stefan Sämmer)
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MAINZ - Menschen, die auf einer Palliativstation arbeiten, haben eine Gratwanderung zu bewältigen: Einerseits bedarf es großer Behutsamkeit und Einfühlungsvermögen, unheilbar kranke Menschen zu begleiten – andererseits ist eine gewisse Distanz notwendig, damit die Schicksale der Patienten nicht auch das eigene Leben belasten. „Mitfühlen, aber nicht mitleiden“, so umreißt Silvia Krimm, stellvertretende Teamleiterin der Pflege auf der Palliativstation am Katholischen Klinikum Mainz (KKM), den schwierigen Balanceakt.
Für Pfleger gilt das ganz besonders – schließlich haben sie im Krankenhaus den engsten Kontakt zu den Patienten. Auf der Palliativstation sind sie daher oft mit den Fragen und Ängsten von Patienten und Angehörigen konfrontiert. „Das geht über die grundsätzliche pflegerische Tätigkeit hinaus“, sagt die Stationsleiterin, Andrea Reichert-Henkes.
Gerade das ist es, was Reichert-Henkes und Krimm an der Arbeit auf der Palliativstation so schätzen: „Wir wollen den Menschen als Ganzes sehen und nicht nur als Kranken.“ In der Theorie, sagt Reichert-Henkes, lerne in der Pflegeausbildung jeder, Patienten ganzheitlich zu betreuen. „Hier können wir es umsetzen.“ Das ist nur möglich, weil die Palliativstation – am KKM mit zehn Betten – im Vergleich zu anderen Krankenhausabteilungen eine kleine Einheit ist. „Gerade, weil es hier um existenzielle Fragen geht, müssen wir den gesamten Patienten wie auch sein Umfeld im Blick haben“, erklärt die Stationsleiterin.
Die Pflegerinnen Silvia Krimm (links) und Andrea Reichert-Henkes erleben in ihrem Beruf nicht nur traurige, sondern auch viele fröhliche Momente. Foto: hbz/Stefan Sämmer
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Auch wenn die Palliativstation am KKM erst vor drei Monaten eingeweiht worden ist, sind Reichert-Henkes und Krimm schon länger miteinander und mit der palliativen Versorgung vertraut: Beide haben mit ihrer Ausbildung vor rund 20 Jahren im Haus angefangen und zu Beginn dieses Jahrzehnts eine Weiterbildung für Palliativpflege gemacht. Bevor sie am 1. September auf die neue Palliativstation gewechselt sind, haben die beiden Pflegerinnen diese Kenntnisse auf ihren vorherigen Stationen angewendet: Krimm in der onkologischen Tagesklinik, Reichert-Henkes auf der Intensivstation, wo sie ebenfalls Stationsleiterin war.
„Wir sind alle Macher, kommen von großen Stationen“, sagt Reichert-Henkes über das zwölfköpfige Pflegeteam der neuen Palliativstation. Der Wechsel sei eine große Umstellung gewesen – wenn auch erwartet: „Wir haben uns alle bewusst für diesen Bereich entschieden“, betont Krimm. Zu den Anforderungen gehört eine hohe Teamfähigkeit im Austausch mit den Ärzten und anderen Berufsgruppen, wie Physiotherapeuten und Seelsorgern. „Wir müssen sehr flexibel sein und jeden Tag neu erarbeiten“, sagt Reichert-Henkes. Nur so sei eine individuelle Pflege und Behandlung möglich. „Man muss sich schon daran gewöhnen, den Tag in Zusammenarbeit mit den Patienten zu strukturieren“, sagt Krimm.
IHRE SPENDE
Die Allgemeine Zeitung Mainz sammelt in diesem Jahr im Rahmen ihrer „Leser helfen“-Aktion Spenden für die Palliativstationen an der Universitätsmedizin und am Katholischen Klinikum Mainz (KKM).
Ihre Spende erbitten wir an:
Empfänger: Leser helfen
IBAN: DE07 550 400 220 210 405 700
BIC: COBADEFFXXX
Kreditinstitut: Commerzbank Mainz
Verwendungszweck: Projekt 02 (bitte unbedingt angeben!)
Spendenquittungen erfolgen bei einem Betrag über 200 Euro automatisch, wenn die Adresse angegeben ist.
Eine wichtige Rolle spielen in der palliativen Versorgung auch die Angehörigen. Sie haben ihren geliebten Menschen durch den Verlauf einer schweren Krankheit begleitet und wollen nun die verbleibende Zeit mit ihm so gut wie möglich verbringen. „Die Angehörigen haben ein großes Redebedürfnis“, sagt Krimm. „Manche möchten auch bei der Pflege mithelfen. Wir leiten sie dann bei Pflegemaßnahmen an.“
Um den vielfältigen Bedürfnissen der Patienten besser gerecht zu werden, gibt es auch spezielle palliativ-pflegerische Techniken. Andrea Reichert-Henkes erzählt von einer Patientin mit einer neurologischen Erkrankung, die als Folge einer Beatmungszeit unter einem versteiften Kiefermuskel zu leiden hatte. Mit einer besonderen Massage gelang es den Pflegekräften, ihre Kaumuskulatur zu entspannen und aktivieren, sodass die Frau wieder etwas sprechen, kauen und schlucken konnte. „In der Pflege lernt man, dass Mundtrockenheit eines der belastendsten Symptome ist“, erklärt Reichert-Henkes.
Die Pflege unheilbar kranker Menschen ist eine schwere Aufgabe. Trotzdem erleben die beiden Pflegerinnen in ihrem Beruf nicht nur traurige, sondern auch viele fröhliche Momente. „Wir lachen mit den Patienten auch an ihrem letzten Tag“, sagt Reichert-Henkes. „Das nimmt mir viel Angst vor der eigenen Vergänglichkeit“, fügt Krimm hinzu.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod – das ist eine der Erfahrungen im Pflegeberuf, die sich nach Schichtende nicht einfach abstellen lassen. Alltägliche Probleme wirken dann oft banal, sagt Silvia Krimm. Denn jeder neue Tag lehrt sie: „Demut vor dem Leben und welche Möglichkeiten es bietet.“