„Nix für Dich“ ist ausnahmsweise mal nichts zum Runterladen
Die neue satirische Musik-Revue des Showbühnen-Leiters Sebastian Wagner geht im Mainzer KUZ über die Bühne. Es ist nicht zuletzt eine herrliche Persiflage auf den Digital-Kult
Von Fred Balz
Darsteller, Moderator, Komponist, Ideengeber in einer Person: Showbühnen-Komponist Sebastian W. Wagner (li.) mit Bühnen-Mitstreitern bei einem Theaterauftritt in Albig.
(Archivfoto: pa/Axel Schmitz)
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MAINZ - Schöne neue Welt: Als Aldous Huxley und George Orwell ihre Zukunftsvisionen von der Konditionierung des Menschen durch eine von Computern gestützte Macht veröffentlichten, hatten sie Bill Gates, Mark Zuckerberg und Facebook noch nicht auf dem Schirm. Die Menschen errichten zwar bereits Kolonien auf Mond und Mars und Krankheiten wie Krebs und Langeweile sind geheilt, doch das Internet funktionierte noch via Fernschreiber und Morsezeichen.
Grund genug für Autor, Musiker und Darsteller Sebastian Wagner, der Generation der „Digital Natives“ offline den Spiegel vorzuhalten und die Zunge rauszustecken. Mit „Nix für dich“ steht die erste satirische Revue des Vereins „Showbühne Musicals“ im Mainzer KUZ (nach Schließung der Showbühne 2016) über gefühlte Verbote, gefakete Wahrheiten und platzende Filterblasen in den Startlöchern.
Ein wenig schließt die kabarettreife Show mit spritziger Musik an Wagners Musical „Die 7 Todsünden“ an, in dem ein junges Start-Up eine Entertainmentplattform im Internet etabliert. Doch diesmal stehen statt der Macher gutgläubige Nutzer, aufstrebende Internetsternchen, sinistre Verschwörungstheoretiker und besorgte Bürger auf dem Plan. Nebenbei geht es um Selbstoptimierung und Abgrenzung gegenüber Anderen, aber auch um Strategien gegen die „Cloud“ im Kopf und für ein selbstbestimmtes analoges Leben.
Darsteller, Moderator, Komponist, Ideengeber in einer Person: Showbühnen-Komponist Sebastian W. Wagner (li.) mit Bühnen-Mitstreitern bei einem Theaterauftritt in Albig. Archivfoto: pa/Axel Schmitz
„Nix für Dich“ lautet der Titel des neuen Stücks. Foto: Showbühne
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Wagner macht sich einen Spaß daraus, sein Publikum an der Nase herumzuführen und dem Zeitgeist mit seinen Fallstricken nachzuspüren. Da gibt es hochfliegende Pläne auf der Abi-Party und die Abstürze danach. Es geht um Transparenz an der Kinokasse und um den Schutz des besorgten Bürgers vor den Politikern.
Beim Probenbesuch im Portland-Casino geht es noch ziemlich entspannt zu. Es ist schon die 6. Probe, und während Kathrin Maier mit körperbetont dynamischem Spiel textsicher und nahezu bühnenreif rüberkommt, lässt es Patrick Twinem ruhiger angehen. Er ist seit den Anfangstagen der Showbühne dabei. Im Haus der Kulturen gibt es immerhin eine große Bühne mit Piano für die Musikproben. Doch für die Sprechszenen entscheiden sich die Darsteller für den geheizten lichtdurchfluteten Seitentrakt. Bassist und Drummer Bernd Fachinger hat den kleinsten Textanteil und bei dieser Probe frei. Die Szene „Selbstdiagnosen“, in der der Patient (Wagner) seinem Arzt (Twinem) erklärt, was er zu tun hat und welche Diagnose am Ende stehen soll, wird in einem Rutsch durchgespielt. Auch als Polizist und besorgter Bürger stehen sich die Beiden unversöhnlich gegenüber. Gekonnt verfällt Wagner, der darüber hinaus Moderation und Pianobegleitung schultert, in wechselnde Dialekte.
TERMINE
Premiere am Sonntag, 10. März, 19 Uhr, Einlass: 18.30 Uhr; 7. April; Tickets ca. 20 Euro (weitere Aufführungen im Mai und Juni); Internet: www.kulturzentrummainz.de
An der Kinokasse und im Clinch mit ihrem Sprachsteuerungsprogramm kann Kathrin Maier sich nach Lust und Laune austoben. Doch während das vom Kartenverkäufer ins Spiel gebrachte Profil auf der Kundenkarte für Verwirrung sorgt, graut es dem Publikum bei der Sprachassistenzszene. Wenn das Sprachsteuerungssystem, das ihr jeden Wunsch von den Lippen abliest, sich bockig gibt wie Bordcomputer HAL 9000 im Kubrick Film „2001 – A Space Odyssey“, ist Panik angesagt. Andererseits gibt es schrille Szenen voller unerwarteter Wendungen, wie etwa den Versuch in einem Café einen schwarzen Kaffee ohne Alles zu bestellen oder die Parade der größten Verschwörungstheoretiker. Nebenbei machen Wagner und Fachinger auf Piano, Bass und Percussion Livemusik und gesungen werden bis zu vierstimmige Madrigale.