Musical Arts mit dem Bühnenstück „Grimm!“ in den Mainzer Kammerspielen
Von Fred Balz
Das aufmüpfige Rotkäppchen mit wilden Waldbewohnern. Foto: hbz/Stefan Sämmer
( Foto: hbz/Stefan Sämmer)
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MAINZ - Zum ersten Mal kommt eine Abschlussarbeit der staatlich anerkannten Mainzer Berufsfachschule „Musical Arts“ auf die Kammerspielbühne. Das Musical „Grimm!“ aus der Feder von Peter Lund mit zündender Musik von Thomas Zaufke ist hochaktuell, temporeich und frech gegen den Strich gebürstet. Der Einsatz des Direktors der Musical Arts Academy Björn Breckheimer und der Kammerspiel-Regisseurin Claudia Wehner, das Stück gemeinsam zu stemmen, hat sich gelohnt. Am Ende gibt es für die gesanglichen, tänzerischen und schauspielerischen Leistungen des sechzehnköpfigen Ensembles „standing ovations“. Mit dem Musical endet die dreijährige Ausbildungsphase an der Fachschule. Es ist der erste Abschlussjahrgang Breckheimers, der für zahlreiche Kammerspielproduktionen auf der Bühne stand.
Das Musical „Grimm!“ spielt lustvoll mit Märchenklischees und stellt sie auf den Kopf. Im mit dem Musical-Theater-Preis in der Sparte „Bestes Buch“ ausgezeichneten Text ist der Wolf (kraftvoll heulend und fauchend: László Nagy) der Gute, dessen Charme Rotkäppchen Dorothea (klug und aufmüpfig: Valerie Wilhelm) erliegt und den sie am Ende vor der Lynchjustiz der Haustiere und Dorfbewohner retten muss. Das Salz in der Suppe sind die hinreißend komisch gezeichneten Nebenfiguren, die bestens besetzt sind und das Stück zur hochaktuellen Gesellschaftssatire machen. Das idyllische Leben auf dem Bauernhof mit dem ängstlichen Jagdhund Rex (unterwürfig und manipulierbar: David Krohn), den drei kleinen Schweinchen Didi (reichlich doof und im Glauben, ein Hahn zu sein: Amina Liedtke), Schlau (rassistisch: Doro Weingarten) und Dicklinde (wild verliebt: Lisa Wehle) und den sieben Geißlein wird Dorothea zu eng. Es zieht sie in den verbotenen Wald, wo sie auf Grimm trifft, der ihr ganz anders als in den Warnungen der Dorfbewohner erscheint.
Für Grimm sind Menschen Mörder, die die Tiere des Waldes jagen und schießen. Als Vollwaise wurde er von der klugen Psychotante Oma Eule (Waldphilosophin und Schleiereule: Nathalie Hack) aufgezogen, die das Sprachrohr des Waldes zu sein scheint.
DATEN & FAKTEN
Nächste Aufführungen: 22./23. April und 15. bis 18. Juni; Infos und Karten im Internet: www.mainzer-kammerspiele.de
Im Wald kommt es zum denkwürdigen Zusammentreffen wilder Waldbewohner mit ihren domestizierten Nachfahren. Der feige Jagdhund Rex trifft auf Grimm und das brave Schweinchen Dicklinde trifft auf ihr prolliges Gegenüber Wild. Ihre streitbaren Dialoge bieten reichlich Zunder. Standesgemäß lässt Rüpel Wild „die Sau raus“, macht Rex zum Schoßhündchen und beschimpft die Dorfbewohner als bourgeoisen Sauhaufen.
Schließlich bilden sich Allianzen für und gegen die Wolfsintegration. Während sich die Mutter Geiß (im schwäbischen Tonfall: Christin Reiter) zur Wortführerin der Wolfsvernichtung aufschwingt, sind es Dorothea und der alte Hofhund Sultan (in Würde, aber mit Gehhilfe: Julian Schier), die den bereits gefangenen Wolf am Ende retten.
Hervorzuheben ist die mitreißende Musik zwischen Ballade, Popsong und Musicalmelodien mit prächtigen Walzern, Charlestons und Tangos, bei denen das Gesangs- und Tanztalent (Choreographie: Chris Ertelt) der Mitwirkenden auf die Probe gestellt wird.