Monsignore Mayer erinnert sich an das Begräbnis von Valentina Chagall 1993
Vor 25 Jahren starb Vava Chagall in ihrem Haus in La Colline, St. Paul de Vence, in Südfrankreich. An Heiligabend beerdigte sie der Mainzer Pfarrer Klaus Mayer auf ihren eigenen Wunsch hin.
Zur Einweihung der Fenster der Stephanskirche im Mai 1985 nahm Valentina „Vava“ Chagall nochmals die Reise von Nizza nach Mainz auf sich. Bischof Lehmann (re.) ehrte die Witwe des Künstlers mit der Martinus-Medaille, der höchsten Auszeichnung des Bistums. Ganz links Pfarrer Klaus Mayer.
(Archivfoto: Klaus Benz)
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MAINZ - Vor 25 Jahren – am 22. Dezember 1993 – ist Vava Chagall in ihrem Haus in La Colline, St. Paul de Vence, in Südfrankreich 88-jährig verstorben. An Heiligabend hat sie der Mainzer Pfarrer Klaus Mayer auf ihren eigenen Wunsch hin auf dem dortigen Friedhof an der Seite ihres Ehemanns Marc Chagall beerdigt. Im AZ-Gespräch erzählt Mayer, heute 95 Jahre alt, wie es dazu kam.
Monsignore Mayer, wie haben Sie die Nachricht vom Tod Vava Chagalls erhalten?
Durch einen Anruf von ihrem Bruder Michel Brodsky am 23. Dezember gegen 15.15 Uhr. Er sagte mir, dass Vava kurz vor Mitternacht gestorben ist. Sie werde bereits am nächsten Tag um 15.15 Uhr beerdigt. Ich kondolierte. Aber aufgrund der Kürze der Zeit und weil ich gerade erst von einer Operation genesen war, konnte ich noch nicht sagen, ob meine Teilnahme möglich ist. Doch die Ärzte bescheinigten mir die Reisetauglichkeit Ich buchte die Frühmaschine von Frankfurt nach Nizza für mich und meine Hausdame, Anne-Marie Seelig. Michel Brodsky bat mich, am Grab ein paar Worte zu sprechen – auf Französisch.
Sie kamen noch rechtzeitig an?
Als wir um 14.30 Uhr im Sterbehaus eintrafen, waren die wenigen Gäste im Salon, darunter der Bürgermeister von St. Paul de Vence. Michel Brodsky teilte mir mit, dass es der Wunsch von Vava Chagall war, dass ich sie beerdige. Davon wusste ich nichts. Ich hätte Vava diesen Wunsch aber nie abschlagen können.
Wie verlief die Begräbnisfeier?
Vava war Jüdin. Ich wählte daher ausschließlich Texte aus der jüdischen Bibel: aus den Psalmen, dem Buch Jesaja und den Aaronitischen Segen. Nach der Lesung folgte eine kleine Ansprache – sicher nicht in formvollendetem Französisch, aber verstehbar und aus dem Herzen kommend. Zugleich überbrachte ich das Beileid des Landes Rheinland-Pfalz, der Stadt Mainz und des Bistums.
Wer war Vava Chagall?
Geboren wurde Valentina Brodsky am 16. April 1905 in Kiew. Sie stammte aus einer angesehenen liberal-jüdischen Familie. Im zaristischen Russland gehörte sie zur Bourgeoisie und musste nach der Oktoberrevolution 1917 fliehen. Ihr Weg führte über Baku, Tiflis und Rom nach Berlin. Nach ihrem Abitur studierte Vava Kunstgeschichte. 1938 musste sie als Jüdin erneut flüchten und emigrierte nach London. Im Frühjahr 1952 begegneten sich Marc und Vava in Frankreich. Sie heiratete den 18 Jahre älteren Maler am 12. Juli desselben Jahres. Marcs erste Ehefrau Bella war am 2. September 1944 im Exil in den USA an einer nicht erkannten Virusgrippe verstorben.
Wie würden Sie Vava Chagall charakterisieren?
Sie war fraulich, mütterlich, natürlich, unkompliziert. Zugleich war sie sehr intelligent, sprachkundig und hübsch.
Was hat sie für Marc Chagall bedeutet?
Sie war ganz für ihn da und schuf ihm die Atmosphäre, in der er sich wohl fühlte. Sie behütete die Einsamkeit, die er für sein kreatives Schaffen benötigte. Vava hat Marc, soweit sie es vermochte, von allem entlastet, damit er seine große Kunst leben kann. Sie schenkte ihm alle Liebe, derer er bedurfte. Mir gegenüber bezeichnete Marc sie als eine „himmlische Frau“. In seinem Gedicht „Mit dir bin ich jung“ schrieb Marc: „Meine Sorgen vergehen, wenn Vava bei mir ist.“
Und was hat Vava Chagall für Sie bedeutet?
Das habe ich in der Todesanzeige in der Mainzer AZ und der FAZ vom 28. Dezember 1993 formuliert: „Ihre Freundschaft und liebende Befürwortung war mir unentbehrliche Hilfe, Marc Chagall zur Schaffung seiner Kirchenfenster für St. Stephan in Mainz zu gewinnen.“
Stimmt es, dass Marc Chagall in den Fenstern von St. Stephan eine Hommage an Vava Chagall „versteckt“ hat?
Ja. Im Bild der Vollendung im Dreipass des Fensters der Frau (linkes Mittelfenster) fliegt Vava in Schwarzlot gemalt auf die brennenden Kerzen eines Leuchters zu. Marc hat ihr punktiert Flügel gemalt und sie damit als „himmlische Frau“ dargestellt. Und über der Szene „Sarah erbittet ein Kind“ im selben Fenster hat Marc neben einen Blumenstrauß die Worte geschrieben: „pour VAVA“ – für Vava.
(Pfarrer Mayer hält eine kurze Zeit inne und sagt dann:)