Messe-Flucht: Für viele Mainzer Verlage rechnet sich die Frankfurter Buchmesse nicht mehr
Wenn am Mittwoch die Frankfurter Buchmesse ihre Pforten öffnet, werden auch prägende Vertreter der nicht gerade üppig gesäten Mainzer Verlagslandschaft ihre Ausstellungstische bestücken. Zunehmend eine Pflichtübung nach der Devise „Dabeisein ist alles“. Der weltweit größte Büchermarkt hat als dezidierte Fachmesse insbesondere für kleine, unabhängige Verlage an Attraktivität und Strahlkraft eingebüßt.
Von Michael Jacobs
Lokalredakteur Mainz
Frankfurter Buchmesse. Foto: dpa
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MAINZ - Wenn am Mittwoch die Frankfurter Buchmesse ihre Pforten öffnet, werden auch prägende Vertreter der nicht gerade üppig gesäten Mainzer Verlagslandschaft ihre Ausstellungstische bestücken. Zunehmend eine Pflichtübung nach der Devise „Dabeisein ist alles“. Der weltweit größte Büchermarkt hat als dezidierte Fachmesse insbesondere für kleine, unabhängige Verlage an Attraktivität und Strahlkraft eingebüßt: Horrende Standpreise, ein zunehmend unübersichtlicheres Nebeneinander von Digital- und Printprodukten, die unterkühlte Geschäftigkeit des Big Business. Weitaus lohnender, lässiger, lebhafter, publikumsintensiver – und auch billiger erscheint die Frühlingsmesse in Leipzig, die als reines Publikumsfestival mit zahllosen Leseforen, unmittelbarem Kundenkontakt und der Möglichkeit des Direktverkaufs an Bedeutung gewinnt.
Der auf Pop- und Independent-Literatur spezialisierte Mainzer Ventil Verlag hat schon vor vier Jahren dem Frankfurter Bücher-Babel den Rücken gekehrt und an den aufblühenden Bücherparcours in Sachsen angedockt. Mit bis zu 1000 Euro für einen Zwei-Quadratmeter-Miniplatz seien die Mieten in Frankfurt unverschämt, sagt Ventil-Mann Ingo Rüdiger. Zumal nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes, das die Tantiemen-Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) nur noch den Autoren und nicht mehr wie bislang auch den Verlagen zuspricht, viele Kleinverlage in eine existenzbedrohende finanzielle Schieflage gerutscht sind.
Der Ventil Verlag hat Rückzahlungsforderungen in Höhe von zirka 18.000 Euro durch eine in der deuschsprachigen Verlagswelt bislang einmalige Crowdfunding-Aktion kompensiert. Durch das Selbsthilfe-Projekt, das Geldgeber unter anderem mit raren Literatur- und Kunststücken befreundeter Autoren lockte, kamen insgesamt 19.400 Euro zusammen. Genug, um die (Teilzeit)-Jobs der vier Mitarbeiter zu sichern. An eine Wiederholung sei nicht gedacht, sagt Rüdiger, der sich aber Crowdfunding zur Finanzierung einzelner Buchprojekte vorstellen kann. Ein aufwendig gestalteter Katalog über den Berliner Kultklub „S0 36“ etwa würde 35.000 Euro kosten. Seit 20 Jahren hält sich der Nischenverlag. Aber der Kampf um Aufmerksamkeit in den Buchhandlungen, die immer mehr Titel auf den Markt werfen, wird härter. In Frankfurt sind dieses Jahr über 400.000 Neuerscheinungen am Start.
Während auch der renommierte Schott Music-Verlag auf einen Auftritt am Main zugunsten von Leipzig verzichtet, denkt man beim Mainzer Grafik-Design-Flaggschiff, dem Verlag Hermann Schmidt, über eine Verkleinerung des Standes nach. Die Messe sei auf Profilsuche zwischen Digitalem und Analogem, sagt Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs. Mit den vielen Nebenveranstaltungen machten sich die Aussteller selbst Konkurrenz. Lukrativer und näher am Zielpublikum für die künstlerisch ambitionierten Printprodukte sind Veranstaltungen abseits des traditionellen Branchentreffs. Wie etwa die Style-Messen, auf denen der Hermann Schmidt Verlag mit wachsendem Erfolg zu Gast ist. Und natürlich Leipzig. Zirka 50.000 Euro lässt sich der Verlag sein Frankfurter Repräsentationsfeld dieses Jahr – noch – kosten. Um 80 Prozent preiswerter ist der Auftritt beim Leipziger Bücher-Bürgerfest, das bei den Typografie-Ästheten, deren preisgekrönte Titel jährlich 100.000 Käufer finden, immer stärker in den Fokus rückt.
"Es grenz an permanente Selbstausbeutung"
Im Nünnerich-Asmus Verlag, Experte für Sachbücher, Kataloge und Bildbände aus der Welt der Archäologie, Kunst und Geschichte, bleibt Frankfurt weiterhin eine Bank, insbesondere als Kontaktbörse für das internationale Geschäft. Dem Verlag mit seinen vier Mitarbeitern und jährlich 30 Neuerscheinungen gehe es gut, sagt Annette Nünnerich-Asmus. Stabilität garantierten die Direktgeschäfte mit Museen und Kultureinrichtungen. Auch wenn viele Publikationen als E-Formate erhältlich seien und das Haus mittlerweile auch mit einem freien IT-Team Museen medial ausstattet, haben die gedruckten Bände absolute Priorität: „Die Leute wollen unsere Bücher nicht digitalisiert“, sagt die Verlegerin: „Sie wollen sie in der Hand halten.“
Algier, Frankfurt, Leipzig: Messen sind existentiell für Donata Kinzelbach, die seit 30 Jahren in ihrem gleichnamigen Verlag die Literatur des Maghreb deutschlandweit publik macht. „Hier kommt man an die Endkunden ran. Wenn ich das nicht mache, bleiben die Bücher im Lager“, sagt Kinzelbach. Bis zu 6000 Titel verkauft sie pro Jahr. Um neben den Verlagsriesen bestehen zu können, muss sie bei gestiegenen Produktionskosten die Preise möglichst gering halten. Durch die hohe Rabattierung beim Vertrieb über den Großhandel bleibt nur wenig pro Exemplar hängen. „Die Leute sind nicht mehr gewillt, für Bücher Geld auszugeben, meint die Selfmadeverlegerin: „Ich liebe den Job. Aber er grenzt an permanente Selbstausbeutung.“
Reine Literaturleidenschaft
Während die etablierten Mainzer Verlage ihre „Mess-Latten“ neu justieren, wagt sich mit dem 2016 gegründeten Golden Luft Verlag ein Neuling in die stürmische Branche. Die in der ältesten Buchbinderei der Stadt liebevoll gefertigten Hefte mit Kurzprosa, Lyrik oder Essays vergessener Autoren schielen nicht auf den Massenmarkt, sondern entspringen reiner Literaturleidenschaft, sagt Verlagsgründerin Bettina Augustin. Zur Buchmesse sollen die ersten drei Titel erscheinen. Einen Stand kann sich die Jungverlegerin nicht leisten. Aber man kann auch jenseits von Mainhattan literarisches Gold schürfen.