Zahlreiche Mainzer Lokale wenden sich an Stadt und Land: „Wir brauchen einen verlässlichen Rahmen für unseren Überlebenskampf.“
Von Maike Hessedenz
Stellvertretende Redaktionsleiterin Mainz
Mainzer Gastronomen fordern die Politik zum Handeln auf (v.l.): Philipp Stein (Steins Traube), Asker Kilic (Roxy, Oma Else, August), Dagmine Wolf (Bassenheimer Hof), Veli Ivecen, Kamil Ivecen (beide Hintz & Kuntz, Le Bonbon, Lehmanns, F. Minthe), Ata Delbasteh (Bergschön zum Kirschgarten, Bergschön Grill, Bergschön im Bachhof, Schlossgarten Catering), Marc Jenne und Walery Engel (Beim Budiker, Neustadtapotheke, Nirgendwo)
(Foto: Sascha Kopp)
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Mainz - Sie sitzen alle im gleichen Boot. Das Restaurant ist zu, die Küche kalt, das Personal einsatzbereit aber ohne Arbeit. Die Gastronomie der Stadt ist so gut wie stillgelegt. Restaurants dürfen ihre Speisen nur noch ausliefern oder zum Mitnehmen herausgeben.
Die Inhaber stehen vor dem Nichts, machen aus ihrer Verzweiflung keinen Hehl, wissen nicht, wie sie ihre Kosten weiter bezahlen sollen, wie sie je wieder auf die Beine kommen sollen. Die Hamburger Gastronomieszene hat es vorgemacht – und gemeinsam einen Brief mit Forderungen an die Stadt geschickt. Mainzer Gastronomen nehmen sich das zum Vorbild – und haben jetzt ebenfalls einen Brief mit ganz klaren Forderungen an Stadt und Land gestellt.
Mainz ist nicht Mainz ohne seine Gastronomen
„Mainz singt, Mainz lacht. Mainz ist gesellig, offen, warmherzig und bodenständig“, formulieren die 44 Unterzeichner das Lebensgefühl der Stadt. „Doch Mainz ist nicht dieses Mainz ohne seine Gastronomen, Hoteliers, Caterer und all die dazugehörigen Lieferanten“, heißt es weiter. „Wenn wir nicht bald einen verlässlichen Rahmen für unseren Überlebenskampf in diesen für uns steinharten Zeiten finden, wird das Mainzgefühl – wie wir es kennen und leben – verloren sein.“ Es gebe in der Gastronomie keinen Nachholeffekt, schildern sie die Lage.
Gutscheine helfen, Ware wird geliefert
. „mainz.help“ heißt ein neues Unterstützerportal, das von „Mainz Liebe“, einer privat initiierten Selbsthilfeseite der teilnehmenden Gastronomie-Betriebe in Mainz, ins Leben gerufen wurde. Dort kann man seinem Lieblingslokal oder ¬-Laden Geld zukommen lassen, wofür die Läden einen_Gutschein ausstellen. Dadurch könne die Liquidität der Läden zunächst gesichert werden, die Verluste könnten auf einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Inzwischen sind über 60 Läden und Lokale auf der Seite vertreten. Internet: mainz.help
. Der Lieferdienst „Mainz gebracht“, den Citymanager Dominique Liggins für den_Einzelhandel ins Leben gerufen hat, wächst. Die_Sparkasse Mainz vermeldet zudem, „Mainz gebracht“ mit 5000_Euro zu sponsern. Unter anderem könnten so Lieferkapazitäten durch die Anmietung von_Transportern erhöht werden. „Die Initiative ist ein großartiger und wichtiger Ansatz für unseren Einzelhandel in dieser besonderen Situation“, so Sparkassen-Chef Thorsten Mühl.
. Die Stadt Mainz führt auf ihrer Homepage außerdem eine stetig aktualisierte Liste mit Läden, die online oder telefonisch Bestellungen annehmen: www.mainz.de/wirtschaft/strukturfoerderung/onlineangebote-mainzer-einzelhandel.php
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„Ein Essen, das wir heute nicht verkaufen, wird in zwei Monaten auch nicht verkauft. Wenn unsere Räumlichkeiten heute leer stehen, können in zwei Monaten nicht doppelt so viele Menschen zu uns kommen, damit wir den Gewinn erwirtschaften, mit dem wir jetzt aufgenommene Kredite zurückbezahlen müssen“, schreiben unter anderem die Wirte des „Hintz & Kuntz“; des „Le Bonbon“, des „Bergschön zum Kirschgarten“, des „Bassenheimer Hofs“, der „Annabatterie“, des „Altstadt Café Willems“, der „Dicken Lilli, gutes Kind“, des „Niko Niko Tei“, des „Dönerstag“, des „Gutleut“ und vielen anderen. Auch Philipp Stein von „Steins Traube“ in Finthen ist dabei. Auch er hat nach der neuen Anweisung des Landes komplett geschlossen. Seine Mitarbeiter will er möglichst weiterbezahlen. „Kurzarbeit möchte ich nicht anmelden. Davon können die Mitarbeiter nicht leben, vor allem nicht, wenn auch noch das Trinkgeld wegfällt“, sagt er.
Erst im Sommer hatte er das Lokal von seinen Eltern übernommen und neu eröffnet. „Wir sind noch am Sanieren, in den letzten Monaten haben wir noch keinen Cent privat aus dem Betrieb entnehmen können“, sagt er. „Die Politik muss sich Gedanken machen“, sagt er.
Asker Kilic betreibt das Roxy, seine Frau das „Oma Else“, außerdem wollte er diese Woche das neue „August“ im ehemaligen „L’Arcade“ am Leichhof eröffnen. „Es war alles fertig, die Ware ist eingekauft.“ Jetzt bleibt der Laden erstmal dicht – die Enttäuschung darüber steht ihm ins Gesicht geschrieben. Auch die Mitarbeiter könnten nicht fassen, was da gerade passiert. „Meine Leute würden am liebsten gar nicht nach Hause gehen. Obwohl es nichts mehr zu tun gibt.“
Wirte formulieren klare Forderungen
In der Neustadt haben Marc Jenne und Walery Engel gleich drei Läden: Die „Neustadtapotheke“, „Beim Budiker“ und das „Nirgendwo“. Zwei der Läden sind noch nicht mal zwei Jahre am Markt. Die Investitionen seien noch längst nicht wieder reingeholt, sagt Marc Jenne. „Eine Soforthilfe vom Staat wäre am besten“, meint auch er.
Mit ihrem Schreiben formulieren die Wirte klare Forderungen: Darunter die sofortige und 100prozentige Kostenübernahme aller Bruttogehälter, Fortzahlungen für ausgefallene Arbeitsstunden für Minijobber und studentische Aushilfen, Steuernachlässe anstelle von Stundungen und Aufschiebungen, Anpassung der Umsatzsteuer von 19 Prozent auf sieben Prozent, Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 1.März 2021 und einen rechtlichen Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund von Dauerschuldverhältnissen.
Das jetzt versandte Schreiben ist nicht die einzige Initiative; auch Manuel Kubitza von „Essen für uns“ hat eine vergleichbare Initiative gestartet – auch hier sind über 40 Lokale als Unterzeichner dabei, darunter viele, die bei beiden Initiativen mitmachen.