Fluglärm schädigt die Gefäße und kann zu schweren Herzerkrankungen führen. Archivfoto: Sascha Kopp
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MAINZ - Die Forschungsarbeit an der Mainzer Universitätsmedizin über den Zusammenhang von Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist deutschland- und auch europaweit hoch beachtet, nun gehen die Ergebnisse des Teams um Professor Thomas Münzel, Direktor des Kardiologischen Zentrums, aber regelrecht um die Welt. Nachdem das wichtigste amerikanische Kardiologen-Magazin „Journal of the American College of Cardiology“ (JACC) einen Übersichtsartikel über die wichtigsten und aktuellsten Studienergebnisse veröffentlicht hat, berichten auch viele wichtige nichtmedizinische Medien darüber, wie Lärm das Herz angreift und Menschen ernsthaft krank macht: Time Magazine, Washington Post, das TV-Network ABC oder die britischen Zeitungen Guardian und Daily Mail.
Die Mainzer Forscher der Arbeitsgruppe Umwelt und Gesundheit um Professor Münzel hatten gemeinsam mit Mette Sørensen, einer Lärmforscherin und Epidemiologin vom Dänischen Krebsforschungsinstitut in Kopenhagen, die neuesten Ergebnisse zum Thema Lärm und Herzkrankheiten in dem renommierten US-Journal zusammengefasst. Wie bedeutend die Zeitschrift ist, zeigt der sogenannte Impact Factor, der Wissenschaftlern sagt, wie hoch eine Veröffentlichung in der jeweiligen Fachzeitschrift einzuschätzen ist. Da steht JACC in den USA an erster Stelle und weltweit ebenfalls ganz weit vorn. Nur das „European Heart Journal“ wird höher eingeschätzt.
Das große Interesse in den USA sei darauf zurückzuführen, dass das Thema „Lärm und Herzkrankheit“ dort noch überhaupt nicht wissenschaftlich aufgearbeitet worden sei. Deshalb sei die erste US-Veröffentlichung der Mainzer Studien auf so großes Interesse gestoßen. Aber nicht nur in der Fachwelt, sondern in den Medien generell. Die Washington Post und der große TV-Sender ABC führten Interviews mit Münzel, das Time Magazin produzierte ein interessantes Video mit den Kernaussagen.
Fluglärm schädigt die Gefäße und kann zu schweren Herzerkrankungen führen. Archivfoto: Sascha Kopp Foto:
Das hat Thomas Münzel, Direktor am Kardiologischen Zentrum in Mainz, nachgewiesen. Seine Studien sorgen jetzt auch in den USA für Aufsehen. Archivfoto: Peter Pulkowski Foto:
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„Vor zehn Jahren sagte man, dass Lärm nervig ist, heute gibt es erhebliche Beweise, dass Lärm krank macht, und eine der häufigsten Erkrankungen sind die des Herz-Kreislauf-Systems“, so Münzel gegenüber der Washington Post. In dem Übersichtsartikel für das Kardiologen Magazin wurden von Mette Sørensen auch Strategien vorgestellt, mit denen man den Lärm durch Autos, Flugzeuge und Züge vermindern kann.
Nachtfluglärm schuld an Defiziten bei Kindern?
Ein Schwerpunkt des Artikels sind auch neuere Studien zur Lärmwirkungsforschung der Unimedizin. „In diesem Bereich ist uns sicher in den letzten Jahren ein großer Durchbruch gelungen“, so Münzel. „Wir konnten nachweisen, dass Nachtfluglärm die Gefäße bei gesunden Probanden und bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung schädigt und dass Vitamin C die schlechte Gefäßfunktion verbessern kann.“
Das bedeute, dass Lärm die Bildung freier Radikale in den Gefäßwänden stimuliert. Mit einem neu entwickelten Tiermodell wurden auch die molekularen Mechanismen entschlüsselt, die für die gefäßschädigende Wirkung von Lärm verantwortlich seien.
Mittlerweile seien weitere wichtige Studien beinahe beendet. So untersuche man den Einfluss von mittleren beziehungsweise Spitzenschallpegeln ausgelöst durch Flugzeuge auf die Gefäßfunktion. Ebenso die Folgen von Bahnlärm für das Herz-Kreislaufsystem und die Effekte insbesondere von Nachtfluglärm auf die Bildung freier Radikale im Gehirn. Letzteres sei ein Effekt, der möglicherweise erkläre, warum Lärm die kognitive Entwicklung von Kindern in Bezug auf Lernen und Gedächtnis verzögern könne, so Münzel. Und noch eine wichtige Erkenntnis: Es müsse nicht die Lautstärke an sich sein, sondern die Art des Lärms, die für die negativen Auswirkungen auf den Organismus entscheidend sei.
Trotz aller Erkenntnisse unterstreicht Münzel aber, dass die Wissenschaft die Lärmwirkung zwar erforschen und wichtige Hinweise geben könne – „entscheidend ist aber, dass Politiker aus diesen Studien ihre Konsequenzen ziehen.“