Viele Stolpersteine liegen auf dem langen Weg ins Erwachsenenleben – vor allem für jungen Geflüchtete. Wie „MentoringMainz“ hier hilft und was unsere Leser dazu beitragen können.
Von Julian Degler
„Die Unterstützung eines Mentors ist hilfreich“, sagt Seyam (r.). In seinem Fall war und ist dies Franz Hamburger.
(Foto: hbz/Stefan Sämmer)
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MAINZ - Als Seyam Habibi sich entscheidet, nach Deutschland zu flüchten, ist er gerade einmal 16 Jahre alt. Im Dezember 2015 begibt er sich auf eine gefährliche Reise, in der Hoffnung auf ein sicheres Leben fernab von Krieg und Gewalt. Seinen 17. Geburtstag erlebt er nicht gemeinsam mit seiner Familie oder seinen Freunden, sondern allein auf der Flucht. Irgendwo zwischen Kabul und Mainz.
Rund 20 Tage dauert es, bis der junge Afghane allein in einem fremden Land ankommt – ohne Freunde und Verwandte. Ohne Geschwister und Eltern. Ganz allein, als unbegleiteter geflüchteter Jugendlicher von Kabul nach Ingelheim. Und schließlich nach Mainz. Eine ihm zu diesem Zeitpunkt vollkommen unbekannte Stadt. „Stellen sie sich vor, dass ein Minderjähriger ohne Begleitung nach Deutschland kommt. Er kennt niemanden und er weiß nicht, was er machen muss, wenn er Probleme hat. Die erste Herausforderung ist die Sprache. Um einen guten Weg einzuschlagen, braucht man Unterstützung“, erinnert sich Seyam Habibi an seine ersten Tage in Deutschland.
Mit Unterstützung meint er eine Person, die einen an die Hand nimmt, die bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite steht und mit der man „über Dinge reden kann, über die man nicht mit anderen reden kann“. Eine Art Vertrauensperson eben. Einen Mentor.
SPENDEN
Die Allgemeine Zeitung Mainz sammelt in diesem Jahr im Rahmen ihrer „Leser helfen“-Aktion Spenden für den Kinderschutzbund. Ihre Spende erbitten wir an:
Empfänger: Leser helfen
IBAN: DE07 5504 0022 0210 4057 00
BIC: COBADEFFXXX
Kreditinstitut: Commerzbank Mainz
Verwendungszweck: Projekt 02 (bitte unbedingt angeben)
Spendenquittungen erfolgen bei einem Betrag über 200 Euro automatisch, wenn die Adresse angegeben ist.
Genau diese Unterstützung bekommt Seyam kurz nach seiner Ankunft Anfang 2016 vom Kinderschutzbund Mainz. Genauer gesagt von Franz Hamburger, einem emeritierten Professor der Erziehungswissenschaft, der 2016 gemeinsam mit Ingwer Ebsen das Hilfsprojekt „MentoringMainz“ ins Leben gerufen hat. Ein Programm, das initiiert wurde, um jungen unbegleiteten Geflüchteten aus Krisengebieten eine Lebensperspektive zu geben. Eine Orientierungshilfe in einem für sie fremden Land mit einer fremden Kultur: „Es ist eine Begleitung auf einem langen Weg. Das Ziel besteht darin, diese Begleitung über einige Jahre und über die Schwellen des Hineinwachsens in die Gesellschaft hinaus aufrechtzuerhalten“, beschreibt Hamburger das Hilfsangebot. Und auf diesem „langen Weg“ möchte „MentoringMainz“ die Kinder und Jugendlichen unterstützen. Das Mentorenteam besteht derzeit aus 27 Ehrenamtlichen, die die jungen Menschen in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung begleiten. Der Aspekt der langfristigen Orientierung spielt dabei eine zentrale Rolle: „Die Lebensperspektive zu gewinnen ist für uns etwas, worüber wir oft gar nicht nachdenken. Aber diese jungen Leute, die allein gekommen sind, müssen grundsätzlich darüber nachdenken, was ihre Lebensperspektive ist.“
So sollen vor allem die Übergänge in die Schule, Ausbildung oder Berufswelt erleichtert und möglich gemacht werden. Um den Jugendlichen dabei helfen zu können, greift „MentoringMainz“ auf ein großes Netzwerk an Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen zurück. Ob Ärzte, Juristen oder Psychologen – alle setzen ihre „eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten“ ein, um ihren Mentees bei beruflichen, privaten oder kulturellen Fragen zu helfen.
„Die Unterstützung von einem Mentor ist sehr hilfreich. Man ist selbst nicht allein und fühlt sich auch nicht allein“, findet Seyam. So habe ihm sein Mentor Franz Hamburger geholfen, eine Wohnung zu finden und einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Was „MentoringMainz“ dabei mit dem Kinderschutzbund verbindet, ist für Hamburger eindeutig: „Die gemeinsame Linie aller Aktivitäten ist, Kinder und Jugendliche zu unterstützen beim Hineinwachsen in diese Gesellschaft, in der sie zurechtkommen müssen.“
Rund 50 unbegleitete Geflüchtete wurden seit 2016 betreut, und „in fast allen Fällen ist es gelungen, die jungen Menschen in einer stabilen Perspektive zu unterstützen“, wie Hamburger stolz erzählt. Seyam Habibi ist einer von ihnen. Heute ist er fast 22 Jahre alt. Macht eine Ausbildung zum Bürokaufmann in Mainz. Wohnt in Wörrstadt. Spricht mit Franz Hamburger und allen anderen nicht mehr wie zu Beginn Englisch, sondern Deutsch. Knapp fünf Jahre sind seit seiner Flucht vergangenen. Seine Familie ist immer noch in Kabul – und damit stets die Angst präsent, dass ihr etwas passieren könnte. Aber Seyam gibt nicht auf. „Herr Hamburger ist ein Teil meiner Familie geworden. Wir kennen uns seit fast fünf Jahren. Wir haben vieles durchgemacht.“ Auf diesem Weg gab es immer Misserfolge und Herausforderungen. Und es gibt sie heute noch. Davon lässt er sich jedoch nicht unterkriegen und ist stolz auf das, was er bisher geschafft hat.