Wie gehen Menschen auf der Palliativstation der Unimedizin mit ihrer Vergänglichkeit um? Eine Patientin erzählt ihre Geschichte.
Von Paul Birkner
Die noch verbleibende Zeit genießen, in Ruhe Abschied nehmen: In Mainz werden Patienten auf den Palliativstationen an der Unimedizin und am KKM (siehe Foto) bis zum Ende ihres Lebens liebevoll betreut.
(Foto: Sascha Kopp)
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MAINZ - Es ist die einzige Gewissheit im Leben – dass es endlich ist. Für viele Menschen scheint der Tod in weiter Ferne zu liegen. Menschen, die unheilbar erkrankt sind, müssen sich dagegen mit dem nahen Ende auseinandersetzen.
So wie Inge L. Die 86-Jährige liegt seit drei Wochen auf der Palliativstation der Universitätsmedizin und strahlt eine bewundernswerte Fassung und Stärke aus. „Was bleibt mir anderes übrig?“, winkt L. ab. „Ich denke mir: Was willst du mehr? Du hast ein schönes Leben gehabt. Du hast eine wunderbare Familie: Sohn und Schwiegertochter, Enkel und zwei Urenkelchen.“ Sie blicke glücklich auf ein langes Leben zurück - das könne schließlich nicht jeder Mensch am Ende. „Das einzige, was ich mir wünsche: keine Schmerzen zu haben.“
Genau darum geht es bei der palliativen Versorgung, die Inge L. in der Uniklinik erfährt: Ein Team aus Ärzten, Pflegekräften und weiteren Mitarbeitern wie Psychologen und Sozialarbeitern arbeitet zusammen, um schwerstkranke Menschen wie Frau L. zu begleiten und eine möglichst große Lebensqualität zu verschaffen. „Alle sind hier sehr nett“, sagt die 86-Jährige. Sie fühlt sich – unter den gegebenen Umständen – sichtlich wohl.
Die noch verbleibende Zeit genießen, in Ruhe Abschied nehmen: In Mainz werden Patienten auf den Palliativstationen an der Unimedizin und am KKM (siehe Foto) bis zum Ende ihres Lebens liebevoll betreut. Foto: Sascha Kopp
Gemeinsam die verbleibende Zeit genießen, in Ruhe Abschied nehmen – das können die Patienten auf der Palliativstation. In Mainz stehen an Unimedizin und KKM Stationen für die Patienten bereit. Foto: Sascha Kopp
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„Für uns als nächste Angehörige ist es ein großer Trost, dass sie nicht allein ist“, sagt Schwiegertochter Marianne L. „Ich bin ja noch berufstätig, deshalb können wir nicht rund um die Uhr da sein.“ Die Mitarbeiter der Palliativstation seien sehr einfühlsam , gehen auf die Bedürfnisse der Patienten ein und behandeln sie würdevoll. Besonders schätzen Inge und Marianne L. das Engagement der ehrenamtlichen Helfer. Heute war Brigitte Kraft zu Besuch und hat auf der Veeh-Harfe gespielt. „Ich finde es schön, dass es so etwas gibt“, sagt Inge L.
Auch sie selbst hat sich, als sie es noch konnte, für ihre Mitmenschen eingesetzt. Vor 50 Jahren ist Frau L. aus Oldenburg nach Mainz gezogen und lebt seit 20 Jahren im „Haus am Römerberg“ in Weisenau in einer altersgerechten Wohnung. Dort hat sie eingeschränkte Nachbarn täglich besucht, ist für sie einkaufen und in die Apotheke gegangen und hat Arzttermine vereinbart. „Sie hat sich um die anderen Bewohner sehr gekümmert“, erzählt Marianne L. „Für mich war das eine Selbstverständlichkeit“, sagt ihre Schwiegermutter bescheiden. „Und als ich krank geworden bin, da habe ich viel Liebe und Geborgenheit zurückbekommen.“
IHRE SPENDE
Die Allgemeine Zeitung Mainz sammelt in diesem Jahr im Rahmen ihrer „Leser helfen“-Aktion Spenden für die Palliativstationen an der Universitätsmedizin und am Katholischen Klinikum Mainz (kkm).
Ihre Spende erbitten wir an:
Empfänger: Leser helfen
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Kreditinstitut: Commerzbank Mainz
Verwendungszweck: Projekt 02 (bitte unbedingt angeben!)
Spendenquittungen erfolgen bei einem Betrag über 200 Euro automatisch, wenn die Adresse angegeben ist.
Mit Müdigkeit hatte es angefangen. „Ich bin überall eingeschlafen, ob zu Hause oder im Bus“, sagt Inge L. „Wenn ich irgendwo hingehen wollte, musste ich mir einen Wecker stellen.“ Sie sei mehrmals zum Arzt gegangen, dort aber beschwichtigt und wieder nach Hause geschickt worden. Schließlich kam sie doch in die Uniklinik, wo am 1. September die Diagnose feststand: Inge L. leidet an einer unheilbaren Bluterkrankung. „Da ist nichts mehr zu machen“, hätten die Ärzte gesagt. „Ich solle meine Angelegenheiten regeln.“
Ein Schock. Erst mit der Zeit konnte sich Inge L. ihrer schweren Situation annähern. „Man hofft immer noch, dass es wieder besser werden könnte. Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt sie ohne jede Bitterkeit. Sich der Realität bewusst werden, dem Ende mit offenen Augen entgegen sehen – das ist ein Schritt, der viel Kraft erfordert. „Es ist eine große Leistung, das so anzunehmen wie sie“, sagt Marianne L.
Kapazitäten der Station sind stark begrenzt
Auf diesem Weg hat die Palliativärztin Dr. Christina Gerlach der Familie zur Seite gestanden, als Inge L. noch auf der Abteilung Hämatologie lag. Mitte November hat sie dann einen Platz auf der Palliativstation angeboten bekommen. „Etwas Besseres konnte mir nicht passieren“, sagt die 86-Jährige. Die Kapazitäten der Palliativstation – in der Uniklinik acht Betten – sind schließlich begrenzt. „Deshalb betrachten wir das als Glücksfall“, sagt Marianne L. „Wir sind sehr dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt.“
Für die fürsorgliche und würdevolle Behandlung auf der Palliativstation möchten Inge L. und ihre Familie auch etwas zurückgeben. „Mein Mann und ich haben uns entschlossen: Wenn wir ihre Wohnung auflösen, werden wir die Sachen verkaufen und den Erlös hierher spenden“, sagt Marianne L. „Dann kommt das auch wieder den Patienten zugute.“
Das Vorhaben beweist den Zusammenhalt und die Offenheit der Familie in ihrer belastenden Situation. Die verbleibende Zeit gemeinsam verbringen, Abschied nehmen – darauf kommt es jetzt an. Auch wenn ihre Angehörigen nicht rund um die Uhr da sein können, ist Inge L. dankbar für ihren Beistand: „Ich weiß, ich habe Rückhalt.“