Kunst statt Kommerz: Schauwechsel am 27. Januar in den Mainzer Markthäusern
Von Michael Jacobs
Lokalredakteur Mainz
Alfonso Mannella in seinem Ausstellungsraum in den Markthäusern, den er sich mit Renate Ott teilt. Foto: hbz/Jörg Henkel
( Foto: hbz/Jörg Henkel)
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MAINZ - Das typenstarke, wenn auch schweigsame Figuren-Ensemble, das seit Anfang Dezember die leer stehenden Markthäuser am Rebstockplatz bevölkert, geizt nicht mit Reizen. Achim Ribbecks lebensgroße Holzakte versprühen eine so vitale Erotik, dass seine Geschöpfe ihr Gesicht vor der prallen Körperlichkeit verbergen. Unbeeindruckt von skulpturaler Sinnenfreude hockt in sich versunken Clemens Strugallas nackte Bronzefrau am Fensterrand, während im Raum nebenan eine archaische Urmutter die Schenkel spreizt. „Einblick“ hat die Mainzer Künstlerin Renate Ott ihre ausdrucksstark abstrahierte Weibsplastik genannt. „Durchblick“ eine zweite feminine Arbeit mit einem Guckloch unter den Brüsten.
An Blickfängern mangelt es wahrlich nicht in den drei improvisierten Kunstlandschaften längs der Korbgasse. „Das sind die schönsten Galerieräume der Stadt“, sagt Alfonso Mannella, dessen expressive, energiegeladene Städtebilder vom New Yorker „Ground Zero“ oder London die Wände unter dem frei liegenden, silbern ummantelten Röhrengeflecht an der Decke zieren, das selbst wie eine Installation wirkt.
Mit der Bespielung merkantiler Freiflächen in dem vom italienischen Stararchitekten Massimilano Fuksas entworfenen Markthäuserkomplex ist Mainz City Management ein Coup geglückt, der der regionalen Kunstszene seit Schließung der städtischen Brückenturmgalerie schmerzlich vermisste Präsentationsmöglichkeiten eröffnet – zumindest auf Zeit.
Und die Mainzer tauchen bereitwillig „en passant“ in die von Mannella, Susan Geel, Renate Ott, Achim Ribbeck, Carmen Stahlschmidt und Clemens Strugalla bestückten Kunstwelten ein. Seit Eröffnung der Kreativen-Meile am 1. Dezember fanden mehr als 700 Besucher den Weg in die von jeweils zwei bis drei Künstlern gestalteten Skulpturen- und Bilder-Räume, erzählt Multitalent Mannella, der unlängst auch als Liedermacher seine Schaustube bis zum letzten Platz füllte.
Die Leute, mit denen er geredet habe, seien begeistert von diesem kulturellen Angebot im Herzen der Stadt. Sogar ein Sammler aus Leverkusen habe schon vorbeigeschaut. Die Menschen schätzten die kommerzfreien Kunstnischen als Oase der Entspannung und Entschleunigung im hektischen Geschäftstrubel.
Zu den Kernzeiten zwischen 13 und 18 Uhr ist meistens einer der ausstellenden Künstler anwesend. Auch wenn sich die Präsentationsräume nicht unbedingt zu schöpferischer Arbeit eignen, hat etwa Strugalla in einer Ecke ein kleines Wachsformtischchen aufgebaut, an dem man ihm zuweilen über die Schulter schauen kann. Dem ansonsten recht trostlos wirkenden Atrium der Markthäuser verleihen die bunten Orchideenfahnen Carmen Stahlschmidts jetzt immerhin einen Hauch Frühlingsflair. Feuerrot leuchtet ihre Gutenberg-Büste aus Terrakotta, die bereits, wie diverse Werke anderer Aussteller, einen Käufer gefunden hat.
Bis die Mainzer Wohnbau als Gebäudeeigner solvente Mieter für die leer stehenden Läden gefunden hat, soll die Kunst weiter blühen – die aktuelle Schauzeit ist bis Ende April terminiert. Mannella könnte sich hier aber auch eine feste Destination für das Schaffen lokaler und regionaler Kreativer vorstellen – auch wenn diese Vision wohl an wirtschaftlichen Interessen zerschellen dürfte. Andererseits: „Wenn man in Kultur investiert, könnten alle, auch die Ökonomie, davon profitieren“, meint Mannella. Man müsse nur den Mut haben, umzudenken und ein dauerhaftes Zeichen für Kunst im Zentrum der Stadt setzen. Er selbst wird, wie auch Carmen Stahlschmidt, in einer Woche seine Exponate wieder räumen, um Platz für weitere Künstler zu machen. Nach dem 27. Januar wechseln einige der Aussteller. Die Werke von Strugalla, Geel, Ribbeck oder Ott werden aber weiterhin zu sehen sein. Jedenfalls scheinen die neuen Markthäuser-Beschicker, zumindest was den den künstlerischen Nährwert betrifft, mindestens so viel Entfaltungspotenzial zu haben wie das Marktfrühstück.