Unter dem Titel „Abstrakt-Konkret und Informel“ fasst die Ausstellung sehr unterschiedliche Exponate zusammen. Foto: hbz/Jörg Henkel
( Foto: hbz/Jörg Henkel)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MAINZ - Es bereitet viel Vergnügen, wenn man in einer Ausstellung ein Werk entdeckt, das die Fantasie beflügelt und den Stift des Schreibers bei der Einleitung eines Artikels führt und bewirkt, dass viele Menschen in die Ausstellung gehen, um vielleicht nur dieses eine Bild zu sehen, und doch die ganze Ausstellung im Herzen mitnehmen.
Was aber tut man, wenn man im Weihergarten in die Galerie Mainzer Kunst an einem Samstagmorgen geht und sprachlos, da atemlos, vor so viel guter Kunst steht. Was Rolf Weber–Schmidt in seinen Räumen über knapp zwei Etagen ausstellt, ist absolut museal und hätte jedem Museum zur Ehre gereicht.
82 Werke aus 80 Jahren von 14 Künstlern
Unter dem Titel „Abstrakt-Konkret und Informel – Kunst nach 1945“ ist es ihm gelungen, 82 Werke aus acht Jahrzehnten von vierzehn Künstlern zusammenzuführen, darunter auch Leihgaben aus dem Landesmuseum und der Sammlung des Landes Rheinland-Pfalz. Salvatore Barbaro, der Kulturstaatssekretär des Landes Rheinland-Pfalz, ist es, der die Sprachlosigkeit auflöst. „Sie haben sich nicht nur einen großen Wunsch erfüllt, sondern auch dem Land Rheinland-Pfalz ein tolles Geschenk zum 70. Geburtstag gemacht,“ führt er in seiner Begrüßung aus. Welche Bedeutung die Kunst aus Rheinland-Pfalz hat, zeigen vor allem die Ankäufe des Landes seit 1948. So hängt einer dieser Ankäufe, ein Werk von Alo Altripp aus der Landeskunstkammer, eine Monotypie von 1937, vom Land 1990 erworben, als Leihgabe hier und eröffnet somit am Eingang der Galerie den geschichtsträchtigen Bilderreigen. Als der neue Flächenstaat namens Rheinland-Pfalz, gegründet 1947 aufgrund einer Verordnung der französischen Militärregierung, bestehend aus der Pfalz, Rheinhessen, Mittelrhein, Koblenz, Trier, Moselraum, Eifel, Hunsrück und Westerwald, in ein neues gemeinsames Leben startet, gilt es auch eine eigenständige Kunstpolitik zu entwickeln und zu integrieren. Rheinhold Petermann, Mainzer Bildhauer, Liebhaber der Frauen und ihrer Stöckelschuhe, erzählt zu Lebzeiten: „Wir waren die Progressiven“ und meint damit die unterschiedlichen Künstlergruppierungen – wie die Kooperative Kunst, „die neue Gruppe Rheinland-Pfalz“ und „Quadriga“, zu der der Älteste noch lebende Künstler, K.O.Götz, gehörte.
DATEN & FAKTEN
Die Ausstellung mit Werken von Alo Altripp, Emil Cimiotti, Fathwinter, K.O.Götz, Gerhard Hintisch, Hugo Jamin, Reinhold Petermann, Heinz Prüstel, Hans Roosen, Max Rupp, Bernhard Schultze, Emil Schumacher, Gustl Stark und Conrad Wetteskind läuft bis zum 9. September in der Galerie Mainzer Kunst, Weihergarten 11, 55116 Mainz
Geöffnet: dienstags bis freitags, 11-18 Uhr, samstags 11 bis 16 Uhr
Befreundet mit Otto Dix und Joseph Beuys
Mittlerweile ist K.O.Götz 103 Jahre alt, vollständig erblindet und verlässt sein Haus im Westerwald nicht mehr. K.O.Götz traf in seinem langen Künstlerleben Max Ernst und André Breton. Befreundet war er mit Otto Dix und Beuys, bekam durch ihn seine Professur in Düsseldorf. Er war Lehrer von Gerhard Richter, dem teuersten Maler der Jetzt-Zeit, der noch heute mit dem Rakel arbeitet, wie Götz es ihm beigebracht hat. Eine kleine, feine Spontanzeichnung der Künstlerlegende findet an diesem Morgen einen Liebhaber.
Reinhold Petermann hat in seiner Lehrzeit im Atelier von Emy Roeder gearbeitet, die Teilnehmerin der „Documenta I“ 1955 war. Petermanns große grell rot lackierte Skulptur dominiert den Galerieraum und korrespondiert mit den farbigen Werken von Fathwinter, so der Künstlername von Franz Albrecht Theophil Winter, dessen Werk von Klee und Kandinsky beeinflusst ist.
Emil Cimiotti ist der Bildhauer des Informel, jener Stilrichtung, die das klassische Weltbild auflöst, indem es das klassische Kompositionsprinzip negiert. Es gibt kein oben und unten, kein davor, kein dahinter, keine Bildform, keine Darstellung. „Informel,“ sagt Carsten Siebert von der Uni Frankfurt in seiner Einführung, „ist kein Stil, sondern eine kunstgeschichtliche Epoche.“ Cimiotti hat seine Skulpturen im Wachsausschmelzverfahren hergestellt; sie muten immer verletzt an, schmelzen in den Raum hinein. Gerhard Hintschich, 1986 verstorben, ist mit seinen aneinandergereihten Farbflächen, in denen es nur um Farbe und Fläche geht, ein Paradebeispiel für die konkrete Malerei, während Gustl Stark als Erfinder des Prägetiefdrucks gilt und das bis heute. Arbeitete er am Anfang noch abstrakt, gingen seine Werke in den 80ern zu Landschaften über.
Die Liste der Beispiele für abstrakt, informell und konkret ließe sich ins Unendliche fortführen. Doch wie wenig kann Schreiben beschreiben, was Augen besser sehen sollten, denn diese Ausstellung macht sprachlos, da man atemlos vor so viel Kunst steht.