MAINZ - Ursprünglich ging es um einen Verkehrsverstoß, begangen vor neun Jahren in der Neustadt: Jetzt wurde Hartmut Rencker (75) in seinem Lerchenberger Haus verhaftet und in die Haftanstalt Rohrbach überführt, weil er zum Haftantritt nicht erschienen war. Nun soll das Ex-ÖDP- und spätere FWG-Mitglied im Stadtrat eine Ersatzfreiheitsstrafe für eine nicht bezahlte Geldstrafe wegen Beamtenbeleidigung und Verleumdung von 1800 Euro (45 Tagessätze) absitzen. Weggefährten und Nachbarn sprechen von einem Justizskandal, Rencker selbst betreibt eine Homepage zum Thema.
Die leidige Geschichte beginnt, als er beim Falschabbiegen von einem Zivilfahrzeug der Polizei gestoppt worden war. Die Streife hatte ein Blaulicht aufs Autodach gestellt und Rencker gestoppt. 20 Euro sollte er berappen, aber als ein Quittungsblock nicht zur Hand war, soll er die Beamten „Karnevalspolizisten“ und ihr Blaulicht „Faschingsduzelche“ genannt haben. Als er schließlich weiter fahren durfte, hatte er sich – weil aufgeregt – nicht angeschnallt und war gleich noch einmal angehalten worden.
Laut Rencker sei es seine Beschwerde gegen die Beamten beim Präsidium gewesen, die das Verfahren nach sich gezogen habe. Bereits in mehreren Terminen vorm Strafrichter erklärt er, nie „Karnevalspolizisten“ und „Faschingsduzelche“ benutzt zu haben. Er bezichtigt die Polizisten der Falschaussage. Denn das Wort „Karneval“ würde einem echten Meenzer nie über die Lippen kommen. Um das zu bestätigen, bemühte er Fastnachter und Idiomforscher, die vom Gericht aber nie als Zeugen geladen wurden.
Ursprünglich war Rencker 2009 vom Gericht zu 900 Euro Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Weil er aber die Attacken auf seiner Homepage fortsetzte, kam ein Strafbefehl von 2400 Euro. Diese Strafe wurde 2014 auf 1800 Euro reduziert, nachdem Rencker seinen Einspruch auf das Strafmaß beschränkt hatte. Kurze Zeit später erklärte Rencker aber, er sei diesen Schritt nur „aus prozesstaktischen Gründen“ gegangen. „An der Tatsache, dass gruppendynamisch gelogen wurde, dass sich die Balken biegen“ müsse er leider festhalten.
Zur Festnahme jetzt hat sich Renckers Berliner Anwalt Ernst Jürgen Borchert schriftlich geäußert: „Rechtlich sind die Karten in dieser speziellen Sache nicht besonders gut.“ Rencker habe den Einspruch hinsichtlich des Strafvorwurfs zurückgenommen. „Dass er dabei mit Drohung einer höheren Strafe gefügig gemacht wurde, ist seine Sicht der Dinge, die plausibel ist, jedoch die Wirksamkeit der Erklärung nicht berührt.“
Borchert betont, es sei Renckers „gutes Recht“ gewesen, die Beamten wegen Falschaussage anzuzeigen. Dies hätte einer „ordnungsgemäß agierenden Justiz Anlass zu Ermittlungen nicht nur gegen das Opfer, sondern auch gegen die mutmaßlichen Täter geben müssen. Die justizielle Wertung der mutmaßlichen Äußerungen betrachtet Renckers Anwalt als hanebüchen. Er verweist auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit und erklärt, dies hätte zwingend zum Freispruch führen müssen.