Kammerspiele Mainz: Musiktheater über die Brontë-Schwestern
Es geht um Liebe, Literatur, die großen Fragen des Lebens, aber auch um Rebellion gegen Enge und Konventionen: Das neue Stück der Kammerspiele über die drei Brontë-Schwestern.
Von Nicole Weisheit-Zenz
Frauen bevölkern die Bühne: Szene aus „Schwestern im Geiste“, dem neuen Theaterstück der Kammerspiele.
(Foto: hbz/Jörg Henkel)
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MAINZ - Um Literatur geht es hier, um Spielarten der Liebe und vor allem um große Fragen des Lebens, im neuen Musiktheaterstück „Schwestern im Geiste – eine musikalische Zeitreise zu den Schwestern Brontë“. Es stammt aus der Feder von Peter Lund, mit Musik von Thomas Zaufke. Unter der Regie von Claudia Wehner kommt es auch am Samstag und Sonntag und dann mehrfach in der neuen Spielzeit zur Aufführung.
In der Koproduktion zwischen Kammerspielen und „Musical Arts Academy of the Performing Arts“ stehen vor allem die diesjährigen Absolventen der staatlich anerkannten Berufsfachschule auf der Bühne. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Rochus Paul, Choreographin ist Chris Ertelt.
Premiere als ein Teil der Abschlussprüfung
Zur Premiere, als Teil der Abschlussprüfungen, verkörpern sie ihre Rollen authentisch und überzeugend, auch durch Tanz und Gesang. Begeisterten Beifall, Blumen und Bravo-Rufe gibt es daher für die große Produktion mit 16 Darstellern, darunter weitere Studierende. Auch im Stück selbst bereiten sich junge Erwachsene auf einen wichtigen Lebensabschnitt vor, das Abitur und die Zeit danach. Sind die drei englischen „Tanten“ dann etwa auch ein Thema?
Heute zählen die Werke der Schwestern aus dem viktorianischen frühen 19. Jahrhundert zu den Klassikern der Weltliteratur. Doch der Schriftstellerberuf war damals nur Männern vorbehalten, wie die Handlung auf zwei sich verbindenden Zeitebenen verdeutlicht. In den Rollen der historischen Figuren und entsprechenden Kostüme zu sehen sind Sarah Steinemer als Charlotte, Svenja Baumgärtner als Emily und Hanna Wendel als Anne Brontë. Klugheit werde bei Frauen selten geschätzt, bedauerten die drei hochbegabten Schwestern, denen nicht viele Wege offenstanden. Talent hatte auch ihr Bruder Branwell (alias Léonard Schindler), der jedoch dem Alkohol verfiel. In Abgeschiedenheit und Armut lebten sie auf dem Land, mit einem Vater, der nicht präsent war.
Manche Parallelen zeigen sich zum Hier und Heute zur Schülerin Milly (Carla Peters) etwa, die sich einsam und entmutigt fühlt – und rebelliert. Ehrgeizig im Unterricht dabei ist dagegen Mitschülerin Aydin (Alina Stemmerich). Eine Karriere als Professorin wäre ihr Ziel, mit Hilfe von Ehemann und Verwandten bei der Kinderbetreuung. Doch das scheint utopisch für sie, denn ihre türkische Familie erwartet von ihr, sich dem zu fügen, was für sie vorgesehen ist.
Beide möchte Lehrerin Lotte Birkner (Cara Remke) anregen, den eigenen Vorstellungen von einer sinnerfüllten Zukunft zu folgen. Auch sie folgt ihrem Herzen, will eine Liebesbeziehung leben, auch gegen gesellschaftliche Konventionen.
Getragen von der Sehnsucht nach Freiheit und dem Wunsch, der Welt etwas zu hinterlassen, behielten die drei Schwestern ihre Gedanken und Gefühle nicht für sich. Unter männlichen Pseudonymen mit Nachnamen Bell gingen sie mit ihren Werken an die Öffentlichkeit; heute gelten „Jane Eyre“, „Sturmhöhe“ („Wuthering Heights“) und „Agnes Grey“ als Klassiker. Ehrlich, emanzipiert und ein Erfolg – oder ein Skandal? Wunderschön oder obszön?
Die Meinungen dazu gingen einst auseinander, alle Geschwister starben jung, erreichten kaum die 40. Unsterblich werden sie dagegen auf der Bühne der Kammerspiele und rufen dazu auf, den eigenen Träumen zu folgen und sie zu leben.