MAINZ - Die Kanzlerin triumphiert. „Ja, meine Damen und Herren, so sehen strahlende Sieger aus“, verkündet Angela Merkel dem Publikum im Unterhaus. Dabei strahlt sie keineswegs. Die nach unten gezogenen Mundwinkel zucken allenfalls leicht, der Kopf bleibt zwischen die Schultern geduckt, ihre Gesten fallen sparsam, beinahe gehemmt aus. „Von wegen ausgelaugt und amtsmüde. Diese Zitrone hat noch jede Menge Saft.“ Es sei nicht ihre Schuld gewesen, dass der Wahlkampf so schlapp ausfiel. „Der Titelverteidiger muss verteidigen, der Angreifer muss angreifen“, erklärt sie mit Blick auf Martin Schulz. „Wenn aber der Angreifer mit Verteidigung kommt... Da sind selbst die Sparringspartner aus den eigenen Reihen besser.“
Seit rund 30 Jahren zieht Reiner Kröhnert als Kabarettist und Parodist über die Kleinkunstbühnen, und Merkel hat ihn auf einem guten Teil dieser Reise begleitet. Sie hat sich zu seiner Paraderolle gemausert. Auch in seinem aktuellen Programm „Kröhnert XXL“ spielt sie die erste Geige, sie darf den Abend eröffnen. Wenn er in ihre Haut und in ihr Hirn schlüpft, stimmt jedes Detail: Körperhaltung, Stimme, Rhetorik – alles hat er studiert.
Als Merkel interpretiert Kröhnert die Karriere der Kanzlerin als Geschichte verhängnisvoller Affären. „2005 hatte die SPD noch 34,2 Prozent, nach vier Jahren Umarmung hatte sie 23 Prozent.“ 2009 umarmte Merkel die FDP und drückte sie ins parlamentarische Aus. „Inzwischen hatte sich die SPD wieder gemausert, sodass ich sie noch einmal umarmen musste.“ Und nun bekommt sie womöglich gleich zwei Partner, die sie an ihre Brust drücken kann.
Die Merkel-Momente sind zweifellos die stärksten Passagen in Kröhnerts Programm, auch wenn seine Bandbreite jenseits davon gewaltig ist. Donald Trump parodiert er brillant, die Ähnlichkeit der Gesichtszüge ist beinahe schon gespenstisch. Honecker und Hitler treffen in der Hölle aufeinander. Michel Friedman lädt gemeinsam mit Rüdiger Safranski zur Talkshow „Der Intellekt hat viele Gesichter“. Zu Gast sind Boris Becker, Dieter Bohlen und Daniela Katzenberger. Die Aufzählung ließe sich endlos weiterführen. Sie zeugt von der ungeheuren Wandelbarkeit Kröhnerts, der sich selten besser präsentiert. Aber was soll dieser Parodist machen, wenn die Vorlagen verblassen?