Islamismus: Buchautor Ahmad Mansour fordert mehr digitale Einmischung, um Radikalisierung zu verhindern
Von Bernd Funke
Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung hielt Ahmad Mansour einen Vortrag am Willigis-Gymnasium. Foto: hbz/Jörg Henkel
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MAINZ - Der gebürtige Palästinenser Ahmad Mansour weiß, wovon er spricht, wenn er das Thema Radikalisierung behandelt. Der Sohn einfacher Bauern, Araber in Israel, wollte seinem Umfeld, von dem er sich nicht angenommen fühlte, entfliehen. Der Iman der Koranschule gleich nebenan vermittelte dem damals 13-Jährigen das Gefühl, in der Religion eine neue Heimat und mit ihr neue Freunde gefunden zu haben.
„Aber aus dem Religionsunterricht wurde ein Ideologieunterricht“, reflektiert der heute 40-jährige Diplom-Psychologe Mansour. Verbunden war das „mit einem Hass auf meine Eltern, weil mein Vater sich nicht an den Koran hielt und Alkohol trank und meine Mutter kein Kopftuch trug.“ Fünf Jahre blieb Mansour der Terrororganisation treu, glaubte an ihre antisemitische Verschwörungstheorie.
Dann lernte Mansour, der heute in Berlin lebt, in der Universität Tel Aviv ein anderes Leben, andere Freunde kennen. Als er 2003 einen palästinensischen Anschlag aus nächster Nähe miterlebte, beschloss er das Ende seiner Radikalisierung. Doch ein Jahr später, in Berlin-Neuköln, vergaß er zunächst die guten Vorsätze – bis er enge Kontakte zur, wie er sagt, „Mehrheitsgesellschaft“ knüpfte. Heute ist Mansour gefragter Gesprächspartner, wenn es darum geht, Radikalisierung vorzubeugen und ihre Ursachen zu erkennen. Jetzt war der Islamismus-Experte auf Vermittlung der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Gast im Willigis-Gymnasium.
DATEN & FAKTEN
Hayat („Leben“) ist eine Beratungsstelle für Personen und Angehörige von Personen, die sich salafistisch radikalisieren oder sich dem militanten Jihadismus anschließen und gegebenenfalls in Konfliktregionen ausreisen.
Anlaufstelle auch für Personen, die mit dem militanten Jihadismus brechen und gewalttätige Gruppen verlassen wollen.
Kontakt zur Beratungsstelle Hayat: 0157-71 35 99 63 (mobil) oder Festnetz 030-23 48 93 35; montags bis freitags, 11-16 Uhr
„Was bringt Menschen dazu, ihr Leben aufs Spiel zu setzen?“ Mansour stellte die Frage, um gleich selbst Antworten zu geben. Zunächst aber wartete er mit Zahlen auf: 910 Jugendliche seien der Terrororganisation IS verfallen, „davon rund 30 Prozent Mädchen“. Man könne davon ausgehen, dass unter den rund vier Millionen Muslimen in Deutschland 9000 Salafisten zu finden seien, die auf etwa 30 000 Unterstützer bauen können. Radikalisierung von Jugendlichen werde oftmals, so Mansour, durch Probleme in der Familie oder der Schule ausgelöst.
Auf der Suche nach „heiler Struktur“
Junge Menschen seien in einem Prozess von rund zwei Jahren auf der Suche nach „heiler Struktur“, nicht so sehr auf der Suche nach Religion. Empfänglich für die Ansprache durch radikale Gruppen mit emotionaler Bindung entwickle sich in den Jugendlichen das Gefühl, zu einer Elite zu gehören. „Das funktioniert übrigens bei den Neonazis genauso“, erklärte Mansour. Über soziale Netzwerke werde zudem eine Schwarz-weiß-Philosophie, die immer mit Antisemitismus verbunden sei, entwickelt. „Wir müssen uns mehr digital einmischen in die islamistischen Beiträge in sozialen Medien“, forderte der Experte, „denn Salafisten warten nicht auf die Jugend in Moscheen, sondern machen Angebote im Internet.“
Der unter Polizeischutz stehende Autor des Buches „Generation Allah“ machte gegenüber Schülern und Gästen deutlich: „Die IS sucht Psychopathen, die Lust am Töten haben. Wer radikale Tendenzen bei Freunden oder Verwandten erkennt, sollte handeln und sich an eine Beratungsstelle, etwa an Hayat, wenden.“