Im Würgegriff der Liebe: Joseph Lee aus Hongkong beim Performance-Art-Festival in Mainz
Von Marianne Hoffmann
Joseph Lee zeigt beim Performance Festival, wie sich Liebe und Hass mit Gesten darstellen lassen. Foto: hbz/Stefan Sämmer
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MAINZ - Was haben knallrote High-Heels und Sneakers, Stiefel, Boots und Schnürschuhe gemeinsam? Richtig – nichts! Und doch alles, wenn es nach dem 25-jährigen Joseph Lee geht, der auf Einladung von Nic Schmitt und Peter Schulz, den „pad”-Machern, nach Mainz in die Leibnizstraße gekommen ist, um im Rahmen des Internationalen Performance Festivals 2017 eine höchst eigenwillige Tanz-Kunst-Lecture Performance über Liebe und Hass, das Leben in knallroten High-Heels aus Hongkong, zu präsentieren.
Studiert hat Lee Tanz in London. Zurück in China, begann er an einer eigenwilligen Solo-Tanz-Show zu arbeiten. Der Zuschauer dieses anspruchsvollen Stücks wird von Anbeginn Teil der Performance. Joseph Lee steht vor dem Eingang zum Zuschauerraum, umarmt jeden Besucher und heißt ihn willkommen, und das sind viele an diesem Abend, das pad ist bis auf den letzten Stehplatz ausverkauft.
Jeder Zuschauer muss seine Schuhe ausziehen, und das ist bei dem eiskalten Fußboden in den Tiefen des „pad“ grippeverdächtig. Dann begibt sich Lee auf die Bühne, während aus Lautsprechern auf Chinesisch und Englisch noch Anweisungen zum richtigen Verhalten während der Veranstaltung auffordern: „What is love? This is love!“ Und zwei Finger formen sich zum Herz. Was ist Hass? Das ist Hass: eine Hand umschlingt den Hals, drückt ihn zu. Im schnellen Wechsel erklärt Lee, wie sich Liebe und Hass darstellen lassen, bis die Liebesgeste zum Hass mutiert und der Klammergriff um den Hals als Liebe interpretiert wird. Manchem ist schon im Würgegriff der Liebe die Luft weggeblieben. Die Atmung kommt erst dann zurück, wenn man sich aus dem Würgegriff der Liebe befreit.
PROGRAMM
Freitag, 28. April, 20 Uhr, „Acts of Politeness“ von El Cuco, anschließend noch einmal „Folding Echoes“ von Joseph Lee, danach Künstlergespräch.
Samstag, 29., und Sonntag, 30. April, zum Abschluss um 20 Uhr an beiden Tagen: „Margarita Trikka: Trajectory: a Tragedy of a Victory“ und „Asparagus“ von Anthi Kougia und Mafalda Miranda Lacinto, danach Künstlergespräch und Sonntag noch Abschlussparty.
Und was bedeutet nun Tanz? Mit lauter Stimme in perfektem Englisch schwelgt Lee in eigenwilliger Kommunikation, gewürzt mit extravaganten tänzerischen Soloeinlagen. Lee verblüfft dabei vor allem durch seinen ungewöhnlichen Umgang mit Bewegung und Sprache. Plötzlich bleibt die Sprache stecken und fließt in eine Tanzbewegung über, die quasi den Satz, den Abschnitt vervollständigt. Stark wird Lee immer dann, wenn er zum Beispiel einen Stuhl auf den Boden legt und in Tanz und Rhythmus einbindet, inklusive Licht und überirdischer Musik. Und das so lange, bis der Stuhl vom Tänzer verfehlt wird und Stuhl bleibt, und der Tänzer Tänzer bleibt, und dann die roten High-Heels holt und sie anzieht. An den Händen und nicht an den Füßen.
Knallrote Pumps, ein schwarzer Raum, elektronische Musik, Worte und absurde Gehbewegungen mit den Händen in den Schuhen. Langanhaltender Applaus vor der Suche nach den eigenen Schuhen.