Historiendrama kunstvoll vertont

Die Rheinische Orchesterakademie Mainz bot eine eindrucksvolle Vertonung des Stummfilmklassikers. Foto: hbz/Harry Braun Foto: hbz/Harry Braun
MAINZ - Ein besserer Auftakt des „FILMZ – Festival des deutschen Kinos 2015“ – ist kaum vorstellbar: In der ausverkauften Mainzer Lokhalle begleitete die 80-köpfige Rheinische Orchesterakademie Mainz den Stummfilm „Das Weib des Pharao“ des späteren Hollywood Regisseurs Ernst Lubitsch. Das 1921 mit über 1000 Komparsen und monumentalen Kulissen von der „Europäischen Filmallianz Berlin“ produzierte Historiendrama geriet für den Juden Lubitsch zur Eintrittskarte ins amerikanische Filmgeschäft, das er bis zu seinem frühen Tod 1946 unter anderem mit Marlene-Dietrich-Filmen und der glänzenden Nazi-Komödie „Sein oder Nichtsein“ (1942) mitgestaltete.
Originalpartitur gefunden
Zwei glückliche Umstände machten diese perfekt synchronisierte Aufführung möglich: Im Nachlass des Operettenkomponisten Eduard Künneke wurde die Originalpartitur der Uraufführung des Films gefunden, deren Partitur und Randnotizen zur Restaurierung des Films beitrug. Die Entdeckung unterschiedlicher russischer und italienischer Filmkopien diente als Grundlage aufwändiger Restaurierungsarbeiten, deren fehlende 600 Meter Filmmaterial mit Standbildern verlorener Filmsequenzen ergänzt wurden. Texteinblendungen mussten ersetzt werden und machen die an Shakespeare erinnernde Tragödie zum schauspielerischen Leckerbissen mit Legenden wie Emil Jannings als tyrannischen ägyptischen Pharao Amenes und Dagny Servaes als vom Pharao begehrter Sklavin. Dessen unerfüllte Liebe führt schließlich zu Krieg, Wahnsinn und Chaos. Aus diesem Grund wurde der letzte Akt aus Auslandskopien getilgt, um den Film versöhnlich enden zu lassen.
Die erstaunlich kunstvolle Filmmusik verleiht dem Film mit entsprechenden Leitmotiven, Expositionen und Überleitungen Konturen, in denen Trauer, Freude, Komik, Dramatik und Mystik ihre eigene Klangfarbe erhalten. Der Einzug der äthiopischen Barbaren um König Samlak, der seine eitle Tochter zwecks Friedensschluss mit dem Pharao vermählen will, findet unter punktierten Blechrhythmen zu arabesker Marschmusik statt. Spannung wird mittels tremolierender Geigen sowie auf und abschwellender Orchesterdynamik erzeugt.
DREHORTE
Kaum zu glauben, dass der gesamte Film in und um Berlin gedreht wurde.
Eine große Kiesgrube wurde zum Schlachtfeld und ein gerodeter Hügel zur Steinhölle der Minensklaven.
Eine große Kiesgrube wurde zum Schlachtfeld und ein gerodeter Hügel zur Steinhölle der Minensklaven.
Für zarte Liebesbande und spannende Verwicklungen ist Künnekes Musik geradezu vorbestimmt. Kein Happy End: Die Liebenden werden gesteinigt und der Tyrann verfällt dem Wahnsinn. Der Aufstand der Soldatenfrauen, die Rebellion des Volkes und die Ersetzung des Tyrannen durch die Liebenden entsprechen dem politisch aufklärerischen Impetus Lubitschs, der 1938 Vorsitzender des „European film funds“ wurde, der in Not geratene europäische Filmschaffende unterstützte und bei der Emigration half.