Großer Zuspruch für Eva Menasse in der Stadtbibliothek
Eine skurrile Tiermeldung in der Tageszeitung reicht ihr völlig. Aus solchen Meldungen hat Stadtschreiberin Eva Menasse in ihrem Erzählband „Tiere für Fortgeschrittene“ mehrere Geschichten gestrickt.
Von Gerd Plachetka
„Tiere für Fortgeschrittene“ heißt der Erzählband, aus dem Eva Menasse in der Stadtbibliothek vortrug.
(Foto: hbz/Stefan Sämmer)
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MAINZ - Umgeben von unzähligen Büchern, Zeitschriften und Bildbänden hat Eva Menasse im Lesesaal der Stadtbibliothek am Tisch Platz genommen. Die Stadtschreiberin hätte sich kein besseres Ambiente aussuchen können, um aus ihrem Erzählband „Tiere für Fortgeschrittene“ vorzutragen.
Gekommen ist sie auf Einladung der Mainzer Bibliotheksgesellschaft, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Treffpunkt Stadtbibliothek“ regelmäßig interessante Menschen und ihre Publikationen präsentiert. Die Autorin zeigt sich geschmeichelt vom großen Zuspruch der Literaturliebenden, die das Obergeschoss der historischen Bibliothek kurzerhand sogar zum Stehrang aufgewertet haben.
Die meisten von Eva Menasses Erzählungen gehen von einer skurrilen Tiergeschichte aus, die sie den Tageszeitungen entnimmt. Hin und wieder greift sie dabei auch zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Da möchte ein Mann in den USA ein überfahrenes Opossum am Straßenrand wiederbeleben. Zunächst versucht er, mit allerlei Gesten auf das Tier Einfluss zu nehmen, bis er schließlich eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchführt.
AUSSTRAHLUNG IM FERNSEHEN
Der mit dem ZDF produzierte Film der Stadtschreiberin wird am 17. November im Fernsehen bei 3 Sat ausgestrahlt: Eva Menasse im Gespräch mit dem österreichischen Lyriker, Regisseur und Autor Robert Schindel über Literatur, Politik und das Judentum.
Transfer in die österreichische Heimat
Am Ende der Meldung heißt es lapidar: Gegen den Mann werde wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit ermittelt. Menasse transferiert die Geschichte in ihre österreichische Heimat. Aus dem Opossum wird kurzerhand ein alpines Reh. Sie beschreibt eindrucksvoll und mit trefflichen Worten das panische Gedankenkarussell des Protagonisten, der sich auf der nächtlichen Flucht vor seiner Ehefrau Heidi befindet.
Die erweiterte Kulisse bilden handelnde Personen, wie der dubios wirkende kahlköpfige Audifahrer mit seinem besonders ausgeprägten Imponiergehabe. Oder der Gastwirt, dem es nicht gelingt, mit der Köchin sein Geschäft gewinnbringend zu betreiben. Menasse sieht in dieser Erzählweise eine hervorragende Gattung der Literatur, wie sie sagt. Sie gibt dem Moment eine Vorgeschichte.
Dabei ist sie eine großartige Menschenerzählerin, der es immer wieder gelingt, ihre Zuhörer gedanklich in die Personen schlüpfen zu lassen – geschickt stellt sie dabei Weichen im Kopf. Am Ende ist man gefangen von den authentisch wiedergegebenen Beschreibungen, die sich wie rote Fäden durch ihre Werke ziehen.
Mit ihrem Debütroman „Vienna“ sei ihr im Jahr 2005 der Einstieg in die Literatur nach ihrem journalistischen Wirken gelungen, antwortet sie auf eine Zuhörerfrage. Es sei ihre eigene Familiengeschichte, in der das Judentum und die Zeit des Vergessens thematisiert werden.