Freitag,
11.01.2019 - 15:39
6 min
Gegner der Schiffanleger am Neustadtufer bereiten Klage vor

Von Carina Schmidt
Lokalredakteurin Mainz

An der Taunusstraße in der Mainzer Neustadt könnte ein neuer Schiffsanleger entstehen. (Foto: Sascha Kopp)
MAINZ - In der Neustadt braut sich seit September Widerstand gegen die geplante Autoabsetzplatzanlage und die neuen Liegeplätze für Binnenschiffer an der Südmole zusammen. Der Protest gipfelte in der Gründung der Bürgerinitiative Neustadtufer. Beantragt wurde die Modernisierung der Schiffliegestelle vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Bingen (WSA). Betrieben wird sie von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) als Planfeststellungsbehörde. Die Stadt wird als Betroffene zwar „angehört“, hat aber keine Verfahrens- oder Entscheidungskompetenz. Die Anwohner sind aber auch auf die Verwaltung sauer, weil der Stadtrat dem Bebauungsplan für den Zollhafen inklusive Schiffsanlegestelle zugestimmt hat. Die AZ fasst die Fakten, die Entwicklung und die Positionen zusammen.
Die Vorgeschichte
Im Juli 1887 wurde der Zoll- und Binnenhafen eröffnet – geplant vom Stadtbaumeister Eduard Kreyßig. Seitdem befindet sich dort eine Schiffsanlegemöglichkeit. Bis weit in die 1960er-Jahre wurden im gesamten Uferabschnitt bis zur Theodor-Heuss-Brücke Waren und Güter umgeschlagen.
In den vergangenen Jahren wurde die Anlegestelle aber kaum noch wahrgenommen. Denn seit der Freilegung der historischen Kaimauer und den Bauarbeiten im Bereich der Südmole war das Anliegen dort aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Derzeit können Binnenschiffer noch an der Nordmole an einer provisorischen Liegestelle festmachen. Auch Autos können dort abgeladen werden. Ende Januar wird die Anliegestelle aber zurückgebaut.
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Die Pläne für die neuen Liegeplätze an der Südmole und die Autoabsetzanlage existieren bereits seit 2013. In dem Jahr hatte der Stadtrat auch dem Bebauungsplan für den Zollhafen zugestimmt. Die Öffentlichkeit wurde 2015 zu einer Info-Veranstaltung eingeladen. Angekündigt wurde die Veranstaltung im Amtsblatt und in der AZ. An dem Treffen hatten laut Protokoll nur vier Bürger teilgenommen. Die Gegner der Anlegestelle werfen der Stadt nun vor, dass zwischen dieser Veranstaltung und dem jüngsten Auslegen der Planungsunterlagen im Herbst 2018 keinerlei Informationen in die Öffentlichkeit gebracht wurden.
Das Vorhaben
Die Anlegestelle soll sich von der Südmole über den Feldbergplatz bis auf die Höhe des Spielplatzes in der Taunusstraße erstrecken. Sechs Pfähle zum Befestigen der Schiffe würden 2,80 Meter aus dem Wasser ragen. Im Normalfall rechnet die Stadt mit maximal neun Schiffen – jeweils drei in einer Dreierreihe. Alle Schiffe sollen mit Landstrom versorgt werden können und dazu verpflichtet werden, ihre Motoren während der Liegezeit abzuschalten. Insgesamt könnten aber 16 Schiffe anlegen – vier in einer Reihe an den normalen Anlegestellen sowie vier an der Freitreppe am Feldbergplatz, wo weitere Kurzzeitparkplätze entstehen sollen.
Auf der Höhe des Feldbergplatzes, wo sich derzeit ein Parkplatz befindet, soll die Autoabsetzanlage errichtet werden. Mit einer 18,6 Meter langen und 7,50 Meter breiten Fahrzeugbrücke könnten dann Autos an Land befördert werden. Die Plattform soll von Stahl-Fachwerkträgern getragen werden: zur Wasserseite auf Stahlpfählen und zur Landseite auf Mikropfählen. Der Autoabsetzplatz in Bingen ist im Vergleich dazu etwa 7 Meter länger bei gleicher Breite. Entgegen der ursprünglichen Information, dass sich auf der Absetzplattform ein Kran befände, teilt das Schifffahrtsamt mit: Dies ist falsch, da die Schiffe über bordeigene Kräne zum Versetzen der mitgeführten Fahrzeuge verfügen.
Der Protest
Als die aktuellen Pläne im Herbst öffentlich wurden, wurde die Bürgerinitiative (BI) Neustadtufer gegründet. Sie besteht aus einem harten Kern von 20 Aktiven um Torsten Kirchmann und rund 250 Interessierten. Die Befürchtung der BI ist, dass vom Schiffsdiesel gesundheitliche Gefahren ausgehen könnten – und das in direkter Nähe zum Spielplatz direkt am Ufer und den zwei Schulen, die den Feldbergplatz als Pausenhof nutzen. Auch das Thema Lärm sieht die Initiative sorgenvoll und sie kritisiert, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht wurde. Mitte Oktober demonstrieren am Feldbergplatz rund 250 Menschen gegen die Schiffsanlegeplätze und den Autoabsetzplatz. Auf der Facebook-Seite „Neustadt-Ufer: Der schönste Blick von Mainz auf den Rhein!“ tauschen sich die Gegner über das Thema aus.
Sorge um Verfahrensfehler
Alternative Standorte
Wie das WSA mitteilt, seien Alternativstandorte zur Südmole geprüft, aber verworfen worden. Die Südmole des Zoll- und Binnenhafens habe sich als am besten geeignet erwiesen. Im Erläuterungsbericht des Planfeststellungsverfahrens heißt es: Eine Verschiebung des Standortes in nördlicher Richtung (stromabwärts) an die Nordmole sei wegen der dort geplanten Bebauung und der Umgestaltung des Uferbereichs nicht möglich. Eine weitere Verschiebung stromabwärts scheide wegen des Containerterminals aus. Eine Verschiebung in südliche Richtung (stromaufwärts) gehe nicht wegen des Freizeitwerts der Rheinpromenade. Noch südlicher käme die Anliegestelle in Konflikt mit den Fahrgastschiffanlegern. Die Insel Petersaue sei aus Naturschutzgründen tabu.
Gutachten
Auf den Vorwurf der Anwohner, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden sei, entgegnet das WSA: Bei der Planung seien auch Untersuchungen zu den Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens durchgeführt worden. Dazu zählen ein Bericht zu Lärmimmissionen und zur Luftreinhaltung.
Ende Oktober wurde bekannt, dass die Planungsunterlagen von der GDWS für die Anlegestelle erneut bei der Stadt ausgelegt werden. Hintergrund ist die Sorge um eine offensichtlich widersprüchlich formulierte Passage in zwei Pressemitteilungen der Stadt. Vom 2. November bis 3. Dezember konnten die Unterlagen erneut eingesehen werden. Inhaltliche Änderungen in den Unterlagen wurden keine vorgenommen. Man wolle aber eine vollumfängliche und transparente Beteiligung gewährleisten, hieß es aus der Stadtverwaltung.
Die Haltung der Stadt
Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) machte im Oktober deutlich, dass er hinter dem Entschluss des Stadtrats stehe. Die Schifffahrt spiele für Mainz eine große Rolle. Ein modernes Binnenschiff ersetze circa 90 Lkw. Ebling wörtlich: „Ich gehe davon aus, dass wenn jemand für mehrere hunderttausend Euro eine Eigentumswohnung am Zollhafen kauft, er auch einen Blick in den Bebauungsplan wirft.“
Gleichzeitig betont der SPD-Politiker, dass die gesundheitlichen Gefahren geprüft werden müssten. In einem Schreiben an die GDWS teilt der OB mit: Die Stadt Mainz könne dem Vorhaben unter bestimmten Auflagen zustimmen. Ebling forderte konkret weitere Gutachten zur Lärm- und Luftbelastung an. In dem Zusammenhang macht der OB deutlich, dass die Schiffsliegestelle vor dem Feldbergplatz nicht als Dauerliegestelle genutzt werden solle. Das WSA will sich zu dem Schreiben der Stadt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht äußern, da die darin aufgeworfenen Punkte „Gegenstand des laufenden Planfeststellungsverfahrens“ seien.
Die Haltung der Parteien
Während die Stadtrat-CDU bei der Abstimmung im Jahr 2013 noch hinter den Plänen für den Zollhafen stand, räumte Ratsmitglied und Bundestagsabgeordnete Ursula_Groden-Kranich im November bei einem Vororttermin ein, die Politik und auch ihre Partei habe die Brisanz des Themas möglicherweise verschlafen. Im Stadtrat äußerte Sabine Flegel die Befürchtung, dass die Dieselmotoren der Schiffe, die am Ufer anlegen, rangieren und wieder wegfahren, die Luftverschmutzung über die erlaubten Grenzwerte drücken. Derzeit werden am Feldbergplatz 30 Mikrogramm Stickstoffdioxidbelastung im Jahresmittel gemessen. Die Bedenken von Flegel kann Bürgermeister Günter Beck (Grüne) nicht nachvollziehen. Er sprach von einer „Legende der Manövriervorgänge“. Die Belastung werde nicht wesentlich größer sein als derzeit. „Die Schiffe fahren jetzt schon auf dem Rhein vorbei“, so Beck. Auch der Ortsbeirat unterstützt den Protest der Anwohner. Als „besonders problematisch“ wird die Autoabsetzanlage eingestuft. Der Ortsbeirat fordert, dass es sowohl eine Umweltverträglichkeitsstudie als auch ein Lärmschutzgutachten geben müsse.
Die Binnenschiffer
Bei einer Veranstaltung der BI meldeten sich Binnenschiffer zu Wort. „Hier werden nie so viele Schiffe liegen wie Sie das darstellen“, sagte Gudrun Mnich von der „MS Salisso & MS Gebrüder Mnich“. Zudem besäßen die Schiffer das „ältere Recht“, da das Hafengebiet an dieser Stelle schon seit vielen Jahren existiere. „Auch wir haben unsere Liegeplätze, wollen mal in die Stadt, haben unsere Menschenrechte, wollen auch mal einkaufen und haben Familie.“ Auch auf der Facebook-Seite der BI mischten sich Binnenschiffer in die Diskussion ein. Die Debatten verlaufen hitzig.
Wie es weitergeht
Im Dezember kündigte die BI an, dass sie 1.000 Unterschriften sammeln möchte, um sie an den Mainzer Oberbürgermeister zu übergeben. Rund 800 Unterschriften wurden seither bereits gesammelt. Im Frühjahr will die BI auch mit Info-Ständen in der Innenstadt gegen die Schiffsanlegestelle und die Autoabsetzanlage mobil machen. Während sich die BI ausschließlich auf die politische Arbeit konzentriert, geht eine Gruppe von Anwohnern auch mit einer Klage juristisch vor.
Nach Ende der Einspruchsfrist wartet das WSA aktuell darauf, dass alle Stellungnahmen und Einwendungen von der Planfeststellungsbehörde übermittelt werden, damit dazu Stellung genommen werden kann. Im nächsten Verfahrensschritt ist ein Erörterungstermin geplant, der rechtzeitig öffentlich bekannt gemacht wird. Zum weiteren zeitlichen Ablauf könne derzeit noch keine Auskunft gegeben werden. Gebaut werde aber erst, wenn ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliege, teilt das WSA mit.