Anlässlich des Welt-Mädchentages und der Ausstellung „Mit dem Malstift gegen die geraubte Kindheit“ erörtern Expertinnen des Mainzer MädchenHauses Hintergründe der Thematik.
Von Irina Steinhauer
Meike Weigel (v.l.), Christine Ellrich und Alexandra Esch vom MädchenHaus informieren über die Problematik. Die Zeichnungen unten zeigen das Leid aus der Sicht der Betroffenen.
(Fotos: Pia Beel)
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MAINZ - Weltweit werden Mädchen diskriminiert. Um das anzuprangern, haben die Vereinten Nationen im Jahr 2011 den 11. Oktober zum Welt-Mädchentag ausgeschrieben. Laut Martina Trojanowski vom Frauenbüro der Stadt Mainz ist vor allem Gewalt ein großes Problem – eine Form davon: Frühehen und Zwangsverheiratung. Schätzungen zufolge gab es im Jahr 2011 allein in Deutschland 3500 Fälle von Früh- oder Zwangsheirat; etwa ein Drittel der Betroffenen ist hier geboren. Es gibt in Mainz Anlaufstellen für Mädchen und junge Frauen, die minderjährig oder gegen ihren Willen verheiratet werden sollen, etwa der Verein Solwodi und das MädchenHaus.
Damit auch diejenigen, die mit den Zielgruppen arbeiten, zum Beispiel Schulsozialarbeiter oder Fachkräfte der Jugendhilfe, wissen, an wen sie sich wenden können, veranstaltete der Mädchenarbeitskreis der Stadt Mainz zusammen mit den beiden Institutionen ein Fachgespräch. Hintergründe von Früh- und Zwangsheirat wurden dabei ebenso thematisiert, wie die Begleitung und der Schutz Betroffener. In der Kriseninterventionseinrichtung Mädchenzuflucht vom MädchenHaus können Mädchen und junge Frauen im Alter von 13 bis 21 Jahren vorübergehend wohnen, wenn sie Konflikte oder Gewalt erleben. Bei etwa jeder zehnten Betroffenen sei Früh- oder Zwangsheirat der Hauptgrund, sagt Sozialpädagogin Alexandra Esch. Oftmals spiele Geld eine Rolle, aber auch der Aufenthaltsstatus könne der Grund für eine Zwangsheirat sein ebenso wie Ehre und der Wunsch der Familie, Traditionen aus dem Ursprungsland zu wahren. Dabei sei die Thematik Früh- oder Zwangsheirat „breit gestreut“, sagt eine Vertreterin des Vereins Solwodi, die nicht namentlich genannt werden möchte. Der Verein ist eine Beratungsstelle für Migrantinnen, die in Deutschland in Not geraten sind. Von Früh- und Zwangsheirat seien Mädchen mit Wurzeln aus der Türkei ebenso betroffen wie Mädchen aus Bulgarien oder Afrika, aus orthodoxen Christengemeinschaften wie auch aus islamischen. Wer sich einer Zwangsverheiratung widersetze, müsse meist radikal mit seinem bisherigen Leben brechen, erklären die Expertinnen. Die Betroffenen bekommen einen neuen Wohnort, manchmal einen neuen Namen, um nicht von ihren Familien gefunden zu werden.
Anlass des Gesprächs war die Ausstellung „Mit dem Malstift gegen die geraubte Kindheit“, die der Verein Terres des Femmes am Weltmädchentag gemeinsam mit der Frauenrechtsorganisation Yaka-Koop aus dem südosttürkischen Van im Mädchentreff in der Raimundistraße präsentierte. Mit einem Malwettbewerb, bei dem jedes Jahr 900 Schülerinnen und Studentinnen in Van teilnehmen, soll auf Frühehen und Zwangsverheiratung aufmerksam gemacht werden. Einige der Motive sind nun in Mainz zu sehen. Ab dem 15. Oktober werden sie im MädchenHaus in der Heidelbergerfaßgasse gezeigt und ab November in Jugendeinrichtungen.