Fluglärmmessung an der Unimedizin zeigt steigende Belastung
Die Mainzer Unimedizin registriert deutlich mehr Fluglärmereignisse. Der Vorstand fordert Bußgelder für laute Flieger und andere Anflugverfahren.
Von Paul Lassay
Lokalredakteur Mainz
Im Mai vergangenen Jahres wurde die Unimedizin besonders häufig überflogen. In den Nachtrandstunden gab es in dem Monat 518 sogenannte „Fluglärmereignisse“.
(Archivfoto: Unimedizin)
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MAINZ - „Dramatisch“, „absolut unglaublich“, „inakzeptabel“. Wenn Prof. Thomas Münzel über die Fluglärmbelastung der Unimedizin spricht, kommt das große Besteck zum Einsatz. Angesichts der Zahlen zu den Lärmereignissen 2018 und Anfang 2019, die er gemeinsam mit dem Präsidenten des Landesumweltamtes Dr. Stefan Hill vorstellt, ist für den Direktor der Kardiologie I klar: „So geht es nicht.“ Die Landesregierung sei gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um das „Schatzkästle“ Unimedizin zu schützen.
Und die Zahlen und Balken, die Hill zuvor an die Wand geworfen hat, haben es in sich. Der Rekordsommer 2018 mit seinem beständigen Ostwind und den deshalb besonders oft über Mainz verlaufenden Landeanflügen nach Frankfurt hat auch an der Lärmmessstation auf dem Gebäude 101 der Unimedizin seine Spuren hinterlassen. Seit 2014 erfasst die Station den Lärm über der Unimedizin, doch so viele Ausschläge wie im Mai 2018 gab es seitdem nicht ansatzweise: 518 Fluglärmereignisse in den Nachtrandstunden und 14 in der sogenannten Kernnacht von 23 bis 5 Uhr verzeichnete die Station im Wonnemonat. Für den Oktober 2018 stehen 397 Ereignisse in den Nachtrandstunden zu Buche und im Juli 278, womit auch diese Werte weit über dem bisherigen Durchschnitt von etwas unter 200 nächtlichen Fluglärmereignissen liegen. Die lautesten Maschinen erreichten dabei im Mai bis zu 72 Dezibel und damit in etwa die Lautstärke einer Baumaschine, erklärt Hill. Insgesamt gebe es einen Anstieg der Lärmereignisse mit hohem Maximalpegel.
Und dass es bei einem einmaligen Ausreißer-Jahr bleibe, sei unwahrscheinlich. Alle Klimamodelle wiesen darauf hin, dass stabile Ostwetterlagen in Zukunft häufiger vorkämen, sagt der Präsident des Landesumweltamts. Zudem steige auch die Gesamtzahl der Anflüge auf den Frankfurter Flughafen. Seien es 2014 durchschnittlich noch etwas über 20 000 monatlich gewesen, bewege sich die Zahl nun eher auf die 25 000 pro Monat zu.
Nächtlicher Fluglärm besonders schädlich
Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sei es eigentlich, den Lärm vor allem dort zu reduzieren, wo sich besonders empfindliche Menschen aufhielten, sagt Münzel. Zu diesen Orten gehörten Kitas, Schulen, Altenheime – und natürlich Krankenhäuser. „In Mainz ist aber die gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Die Zahl der Flüge nimmt zu, unter anderem durch die Billigflieger in Frankfurt und das Terminal 3.“ Und damit auch der Lärm in den späten Abend- und frühen Morgenstunden. Dabei sei durch zahlreiche Studien nachgewiesen, dass nächtlicher Fluglärm unter anderem durch die damit verbundene Ausschüttung von Stresshormonen die Wahrscheinlichkeit von Herzerkrankungen und Bluthochdruck erhöhe. Schlaf sei bei der Genesung von entscheidender Bedeutung. „Wir haben hier Leute, die sich etwa von einem Herzinfarkt erholen müssen. Da ist diese Situation inakzeptabel“, erklärt der Kardiologe. Ein einziges lautes Flugzeug reiche bei empfindlichen Menschen aus, um die komplette Nachtruhe zu zerstören.
Dabei gebe es Gegenmaßnahmen, betont Münzel, „aber es wird nichts angewendet“. Der Flughafen müsse höher und steiler angeflogen werden und die Flieger über Mainz in den kontinuierlichen Sinkflug gehen, ohne schon das Fahrwerk auszufahren. Besonders laute Flieger müssten außerdem mit hohen Bußgeldern belegt werden. „Wenn sie zu spät kommen oder zu laut sind, sollen sie gar nicht hier landen“, fordert Münzel. Ein weiteres Problem sei auch, dass vom langsamen Ansteigen des Lärms ab 5 Uhr morgens nichts zu spüren sei. Besonders die internationalen Frachtmaschinen kämen früh morgens „mit aller Gewalt über die Unimedizin hereingebrochen“. Wie man eine neue Landebahn so habe planen können, dass in ihrer Verlängerung in 20 Kilometer Entfernung die einzige Uniklinik von Rheinland-Pfalz liege, sei für ihn vollkommen unverständlich.
Auch der Vorstandsvorsitzende der Unimedizin, Prof. Norbert Pfeiffer, sieht in Bußgeldern für laute Flieger die einzig wirksame Steuerungsmöglichkeit. „Aber die können wir nicht beschließen, wir können nur darauf hinweisen.“ Sehr laute Flieger sollten besser an Flughäfen geleitet werden, die in weniger dicht besiedelten Gegenden lägen. Man müsse Lösungen finden, schließlich seien die vorgestellten Zahlen nur die von 2018. „Die von 2019 sehen wahrscheinlich nochmal anders aus. Und 2020 oder 2021 wollen wir uns vielleicht gar nicht ausmalen.“