Eiskalte Brüder und GCV präsentieren Best-of in der Mainzer Rheingoldhalle
Von Michael Jacobs
Lokalredakteur Mainz
Andreas Keim (links)und Erhard Grohmteilen sich das Protokoll – eine Weltpremiere. Foto: hbz/Stefan Sämmer
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MAINZ - Was ein Timing zur großen Fraternisierungsshow der Gonsenheimer Fastnachts-Giganten. Gott Jokus hüllt die mit 2300 Besuchern bis auf den letzten Platz gefüllte Rheingoldhalle in ein veritables Schneegestöber – als ob die Eiskalten Brüder zum 125-jährigen Jubiläum noch Außenkonfetti bestellt hätten. Drinnen, auf der närrischen Rostra, sind die Reihen von Gonsenheimer Carneval Verein (GCV) und Eiskalten fest geschlossen. Wie ein riesiger Goldbarren schimmert der 22 Meter lange Komitee-Tisch, an dem die Sitzungspräsidenten Andreas Schmitt und Sebastian Grom, 251 Jahre geballte Vereinsgeschichte unter der Kapp, zusammenbringen, was rein historisch betrachtet leicht zu einer karnevalistischen Kernfusion mit ungeahnten Folgen führen könnte. Die frohsinns-geschichtliche Tragweite der Gemeinschaftssitzung illustriert ein Vorspiel, in dem im Gonsenheimer Ortsbeirat anno 1961 die eher rustikal aufmüpfigen Eiskalten mit Fleischwürsten auf die vermeintlich vergeistigteren GCVler einprügelten.
So gut wie keine Schwachstellen
Gut fünf Jahrzehnte später münden die rivalitären Reibungsenergien beider Traditionsvereine in ein furioses Cross-Over, ein Best-of Gonsenheim, bei dem es so gut wie keine Schwachstellen gibt. Dafür eine leicht italienische Grundfärbung. Wenn etwa die „Schnorreswackler“ als „Schnowa Nostra“ maliziös-mafiös die Mainzer Unterwelt aufmischen, bis das duale Komiteeter-Personal „All Kapp ohne“ dahockt, oder Werner Renkes, als südländisch smart parlierender Bundestags-Kantinenwirt Antonio, die Berliner Politprominenz auf Diät setzt: Bei Christian Lindner lieber nix als falsch kochen. Selbst Gerd Emrich kann sich bei seinen gag-gespickten „Fastnacht-Film“-Festspielen ein aus sonnigen Eiskalt-Gefilden emporsprudelndes „Volare“ nicht verkneifen. Überhaupt wachsen sich viele der Gesangsnummern zu großem Musik-Kino aus. Den Rohkost-Vorspann liefern „Paco &Paco“ alias Gerhard und Christian Carra mit subversiven Vegan-Hymnen im Dinkel-Beat, gefolgt von den Bockius-Blues-Brothers (Andreas, Matthias), die Verkehrsdezernentin Katrin Eder in einen Baustellen-Dauer-Refrain bugsieren, bis zur Königsdisziplin der „Eisbären“ mit einer mitreißend monarchischen Regenten-Revue um den Herrscher von Mainz – inklusive Elvis, Michael Jackson, Elton John und dem König von Mallorca: Gonsenheimer Kingsize-Musical. Eher dem Experimentalfilm verpflichtet sind die Dada-Späße des Anarcho-Duos Martin Heininger/Christian Schier, das aus dem „Mer habbe nix“-Fundus hochprozentige Nonsens-Sauflieder zapft, während Schier sein beachtliches Repertoire an a-motorischen Entfesselungstänzen um die Ein-Arm-Variante erweitert. Allein für ihr Einsatz-Kommando „Ein Diebstahl, bei dem der Dieb den Stahl vom Dieb stahl“ gehören sie mit Orden überhäuft.
Weltpremiere an der Protokollerfront. In einer konzertierten Bütten-Aktion teilen sich Andreas Keim und Erhard Grom die Klatschen-Rückschau, wobei Grom in forciertem Paarreim besonders druckvoll austeilt. Sei es bei der Kür des künftigen Mainz05-Präsidenten („Am besten Alt-OB Jens Beutel, der ist pensioniert und an Geld nicht interessiert“) oder in Richtung des volksverhetzenden AfD-„Gesocks“ samt flatterhafter „brauner Natter“ Frauke Petry.
Andreas Keim (links)und Erhard Grohmteilen sich das Protokoll – eine Weltpremiere. Foto: hbz/Stefan Sämmer Foto:
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Gut fünf Stunden später, die Rheingoldhalle dampft längst im vereinsübergreifenden Fusionsfeuer, legt Andreas Schmitt, an dessen massiertem Obermessdienergewand alle Schmähungen aus der rechten Ecke abperlen, wortgewaltig noch einmal nach: Beatrix von Storch – „die reale Inkarnation von Leni Riefenstahl und Eva Braun“. Auch wenn die Bütt langsam an ihre Fassungsgrenze kommt: Schmitt bleibt eine Wucht für sich. Selbst wenn ihn Hans-Peter Betz, der, von allen Guddi-Gutenberg-Denkmal-Pflichten befreit, mit martialischen Oberarm-Tattoos als eine Art Gunsenumer Ozzy Osbourne in der Schiffschaukelbremser-Branche reüssiert, aus einer Gondel rausfräsen muss. Eine Ronny-Rummel-Rolle kippt den Vollblutfastnachter nicht vom Sockel. Steigt er eben auf eine Bierkiste.
WER WAR NOCH DABEI?
Musik: das Backesgaade-Trio, Torsten Ranzenberger, Musikzüge Füsiliergarde, Grenadiergarde Eiskalte Brüder.
Und die Frauen? Da bleibt die Innovativkraft der Gonsenheimer Fastnachts-Neuerer ausbaufähig, auch wenn GCV-Präsident Grom noch so artig bei den Komitee-Hostessen das nächste Bier ordert. Einen der Glanzpunkte einer famosen Doppelsitzung setzt Sabine Pelz, die als Chefhostess der Stadt in einer pointierten Mixtur aus Meenzer Comedy und Kommunal-Kokolores das marode Rathaus in seinen Grundfesten erschüttert. Doch ohne den virtuosen Schwung des GCV-Balletts und den Las-Vegas-reifen, farbenprächtig-akrobatischen Feenzauber der TSV Schott-Showtanzgruppe bliebe das bis in die frühen Morgenstunden nachglühende konföderierte Wintermärchen von GCV und Eiskalten Brüdern unvollendet. „Wir kommen wieder“, verspricht Andreas Schmitt. Es muss ja nicht wieder 18 Jahre wie bei der letzten Reunion dauern.